Für uns war sie Jemand, kein Produkt.
318 Eier in einem Jahr zu legen, das war ihr „Job“ als „Legehenne“. Ein „Turbohuhn“, ein „genetisch optimiertes Produkt“, das im Gegensatz zu den wilden Vorfahren nicht nur ein Dutzend Eier pro Jahr legt. Sondern 318 laut Produktkatalog der Herstellerfirma. Eines der angeblich „glücklichen Hühner“, denn Alpha stammte aus einer Freilandhaltung.
Wie die meisten „Legehennen“ lebte sie zuvor in einer Haltung mit vielen Tausend Hühnern. Was das für ein Huhn bedeutet, welches natürlicher Weise in einer kleinen stabilen Gruppe mit klarer Sozialstruktur leben würde? Dauerhaft unter enormem sozialem Stress zu stehen, ständig den Aggressionen anderer Hühner ausgesetzt zu sein oder selbst austeilen zu müssen – und unter minimalster „Fürsorge“ ausgebeutet werden, bis das Leben nach kurzer Zeit im Schlachthof endet.
Als Alpha im vergangenen Winter uns kam, war sie psychisch und physisch aufgrund der Zucht und der Haltungsbedingungen am Ende ihrer Kräfte, ihr kleiner dürrer Körper zerpickt und fast nackt. Es war so wundervoll zu sehen, wie sie sich erholte, der Stress spürbar von ihr abfiel, und aus der mageren verstörten Henne ein entspanntes, fröhliches, voll befiedertes und unternehmungslustiges Huhn wurde.
Ein paar glückliche Monate erlebte sie noch zusammen mit den anderen Hühnern. Mehr als ihr diese Möglichkeit zu bieten und sie den kurzen Rest ihres Lebens zu begleiten konnten wir nicht für sie tun – denn gegen ihre Genetik, die sie dazu verdammt hat, so ziemlich jeden Tag ein Ei zu legen, bis der Körper nicht mehr mitmacht, waren wir machtlos.
Adieu, Alpha.