Liebevolle Erinnerungen

An dieser Stelle möchten wir unserer ehemaligen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner gedenken. Danke, dass wir euch ein Stück eures Weges begleiten durften. Wir werden die Erinnerung an euch immer in unseren Herzen tragen.

Puter Georg im Land der Tiere, einem Lebenshof für ehemalige "Nutztiere" in Mecklenburg-Vorpommern, idyllisch gelegen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe zwischen Hamburg und Berlin

Abschied von Frau Heinrich

Irgendwann muss Heinrich irgendwo weggelaufen sein. Von da an lebte Heinrich frei, hoppelte monatelang durch die Gärten, knabberte an Blumen und Gemüse. Manche fanden Heinrichs Anwesenheit und das Zusammenleben mit dem freien Riesenkaninchen nett. Andere nicht. Heinrich sollte weg. Weil Heinrich „Schäden anrichtete“, kamen sogar ein paar Menschen auf die Idee, dass Heinrich deshalb sterben sollte.

Heinrich hatte so viel Glück im Leben, Flucht, monatelang auf sich allein gestellt zu überleben, ohne von einem Fuchs getötet zu werden. Heinrichs Glück musste weitergehen an einem Ort, wo ein Kaninchen ein echtes Kaninchenleben führen kann. Und so wurde Heinrich eingefangen und zog im Mai 2019 ins Land der Tiere.

„Der Schlachthase“ war kein Er, wie sich beim Einzug herausstellte, sondern eine ältere Kaninchendame. Und sehr, sehr nett. Abgesehen davon, dass sie keine anderen starken Frauen neben sich duldete. Frau Heinrich zog in eine gemischte Kaninchengruppe ein und wurde Chefin. Geliebte Chefin so einiger Kaninchenherren.

Im Laufe der Jahre musste sie viele Abschiede verschmerzen. Am Ende fand sich immer wieder ein Herr, der sie tröste. Putzte. Bekuschelte. Auch als es vor langer Zeit schon anfing, dass es ihr körperlich nicht mehr richtig gut ging. Ihr großer Körper litt unter Rückenproblemen. Das hielt Frau Heinrich nicht davon ab, draußen herumzulaufen und ihr freies Leben zu genießen. Mit ihrem aktuellen Lieblingsherrn unter einem Baum zu liegen und sich bekuscheln und putzen zu lassen. Zuletzt tat es der winzige Zwerg Poppins. Ausgiebig.

Frau Henrichs Körper und ließ mehr und mehr nach. Wurde anfälliger. Zu allem dazu kam eine hartnäckige Ohrenentzündung. Als die auf einem guten Weg der Heilung war, ging es ihr trotzdem schlechter, sie baute ab. Am Ende blieb uns keine Chance mehr, die alte Frau Heinrich noch einmal zu retten.

Adieu, Frau Henrich.

Abschied von Eberick

Ihm haben jetzt schon viele Meerschweinchen zu verdanken, dass sie heute keine „Käfigtiere“, „Spielzeuge“, Einzeltiere und sonst wie traurigen Meerschweinchen sind.

Eberick und seine Freundin Piggidy machten nämlich vor zwei Jahren den Anfang: Sie waren die ersten Meerschweinchen, die ins Land der Tiere einzogen. Heute gibt es zwei Meerschweinchenzimmer mit zwei freilaufenden Meerschweinchengruppen. Eberick und seine Freundin strandeten als Notfall zusammen mit zwei Kaninchen hier: ihr Leben war in Gefahr, nachdem ihr ursprünglicher Halter verstorben war.

Die ersten Tage nach ihrer Befreiung aus dem Käfig, der ihr „Lebensraum“ war, sahen wir die beiden scheuen, älteren Schweinchen überhaupt nicht. Sie versteckten und verschanzten sich irgendwo. Ihre Angst vor uns wich erst, als weitere Meerschweinchen bei ihnen einzogen. Die Unternehmungslust und der Mut der anderen, viel jüngeren Meerschweinchen wirkten offenbar sehr ansteckend. Eberick war wie ausgewechselt. Und wurde sogar zum freundlichen „Big Boss“ der Meerschweinchengruppe, was ihm sichtlich gefiel. Und den anderen auch.

Eberick gewöhnte sich sogar an für ihn eher ungünstige Prozeduren wie „neue Frisur“, Fußpflege und mehr – eben was bei älteren Langhaarmeerschweinchen anfällt. Seine letzten Tage verbrachte Eberick als geduldiger Patient. Als er sich zurückzog und die Chefrolle einem Mitbewohner überließ, ahnten wir schon, dass wir ihm nicht mehr helfen können würden und es Zeit für unseren Abschied war.

Adieu, Eberick.

Abschied von Frau Holle

Ihr Tag hatte ganz normal angefangen. Frühstücken, gemeinschaftliches Treffen am Wassereimer, Spazierengehen, mit den anderen Gänsen herumschnattern, eine Runde im Teich schwimmen – alles, was Gänse eben tun. Frau Holles Tag war ganz normal wie jeder andere und sie selbst völlig unauffällig wie immer. Überhaupt war Frau Holle „unauffällig“, niemals verstänkert mit den anderen und eine eher ruhige Gans.

Mittags war immer noch alles wie immer. Alle Gänse lagen friedlich im Grün neben dem Teich, die Köpfe eingekuschelt unter einem Flügel und machten ihr Mittagsschläfchen in der Sonne. Es ist die friedlichste Zeit bei den Gänsen, wo sich nicht einmal der wachsame Chef-Ganter Toni rührt, wenn Menschen in seiner Nähe sind, sondern einfach ruhig weiterschläft.

Dass nur zwei Stunden später bei den Gänsen alles anders sein würde, wussten wir noch nicht, als wir sie ihrer Siesta überließen. Es war Frau Holles letzte Siesta. Wir fanden sie, als wir die Gänse abends ins Bett bringen wollten. Alle kamen schnell angelaufen, wie jeden Abend. Frau Holle fehlte. Sie war einfach gestorben, ohne Vorankündigung. Still und unauffällig, wie sie immer war.

Adieu, Frau Holle.

Abschied von Zwiesel

Zwiesel war nicht unschuldig daran, dass es heute und wahrscheinlich für immer im Land der Tiere eine größere Meerschweinchengruppe gibt. „Wo zwei sind, können auch vier leben“, dachten wir, als wir zufällig in den Ebay-Kleinanzeigen über zwei Meerschweinchen fielen. Zwei, die in ihrem Leben bis dahin nichts hatten als den Käfig um sie herum – und deren Zukunftsaussichten beim Verkauf für 7,50 Euro wahrscheinlich nicht besser waren. Wir boten eine kostenfreie Aufnahme der Meerschweinchen an und machten damit nicht nur diese Beiden glücklich.

„Da ist ja auch noch dieses alte Meerschweinchen, das immer einzeln im Käfig ist, weil es unverträglich ist. Kann das auch mit?“

Natürlich! So zogen Zwiesel und Wiesel, Mutter und Tochter, und „Das alte Kartöffelchen“, welches überhaupt nicht unverträglich ist, im März 2022 ins Land der Tiere ein. Und waren dabei, als noch mehr Meerschweinchen dazu kamen. Meerschweinchen, denen es vorher auch nicht besser erging als Zwiesel, die schlecht versorgt in kleinen Käfigen hockten. Im Land der Tiere wurde für Zwiesel alles anders. Nicht nur käfigfrei, sondern mit viel Platz zum Verstecken, Herumflitzen, Essen suchen – und in netter Gesellschaft, ganz harmonisch zusammen in einem Zimmer mit den anderen Meerschweinchen. Eine der Aktivsten in der Meerschweinchengruppe: Zwiesel.

Als sie jetzt plötzlich nicht wie gewohnt sofort losflitzte bei einer leckeren Gemüselieferung, sondern sich versteckte, war klar: sie hat irgendein Problem. Bei ihrer Untersuchung fanden wir eine winzige Verletzung, die unter Behandlung schnell gut abheilte. Da es Zwiesel trotzdem leider schlechter statt besser ging, schlossen wir die Verletzung als Ursache für ihre Erkrankung aus. Zeit für weitere Diagnostik blieb uns leider keine mehr. Die Hoffnung, herauszufinden, worunter sie leidet, ob es eine Chance gibt, ihr zu helfen, diese Hoffnung starb mit ihr in der Nacht.

Adieu, Zwiesel.

Abschied von Mat

Als Mat im Mai 2019 ins Land der Tiere einzog, war sie ein blasser, kranker, ängstlicher Vogel und ihr Gesamtzustand einfach furchtbar. Anderthalb Jahre hatte sie in einem „Elterntierbetrieb“ gelebt, ein Leben, was sie ans Ende ihrer Kräfte gebracht hatte, unter permanentem Stress durch die vielen anderen Hühner, eingesperrt ohne Auslauf, krank durch die Haltung, krank durch die Eigenschaft, die ihr gewollt angezüchtet wurde: maximale „Legeleistung“. Nach fast 400 gelegten Eiern war Mat für die weitere „Bruteierproduktion“ wertlos und normalerweise wäre sie durch Schlachtung entsorgt worden.

Mats Zustand war lange kritisch. Nach irgendeiner von vielen medikamentösen Behandlungen wurde aus dem blassen, weißen Huhn eine bunt gesprenkelte Henne, die fröhlich draußen herumlief. Was blieb waren ihre Phasen, die Phasen, wo es ihr nicht so gut ging und sie unfit war. Sie gingen immer vorüber, mal ohne, mal mit tierärztlicher Behandlung. Mat überlebte so tatsächlich die fünf anderen Hennen, die zusammen mit ihr eingezogen waren. Schloss neue Freundschaften mit anderen Hühnern.

So oft dachten wir im Lauf der über vier Jahre, die sie bei uns war, „dieses Mal schafft sie es nicht“ und lagen zum Glück immer falsch damit. Mat schaffte es sogar auf den Posten der „dienstältesten Bewohnerin“ unter den Hühnern.

Vor einigen Tagen ging es dann wieder los. Mat war müde. Doch irgendetwas war anders als in den schlechten Phasen zuvor. Als sie abends zusammen mit den anderen Hühnern in ihr Bett ging, ahnten wir trotzdem nicht, dass es ihre letzte Nacht sein würde.

Adieu, Mat.

Abschied von Viola

Die Chance, dass sie es schafft, war gering. Es war kein Grund, jede Hoffnung aufzugeben.

Sie war eine der Geretteten vom Deich. Eine der fast verhungerten, kranken Schafe, die wir vor einigen Wochen von dem Gehöft holten, wo sie geschächtet werden sollten. Von Anfang an war sie eines der großen Sorgenschafe in der Gruppe von acht Schafen, eine derjenigen, deren Körper die meisten Schäden der jahrelangen Belastung durch Krankheiten, Parasitenbefall, Mangelversorgung, Ausbeutung und Missachtung davongetragen hatte. Die Chance, ihren körperlichen Zustand noch einmal umzudrehen, war gering.

Kein Grund aufzugeben, auch wenn es nur 10 oder vielleicht nur 1 % Hoffnung gab. Auch nicht, als sie dann „festlag“. Der Ort, der ihr Zuhause und Chance auf ein neues Leben sein sollte, wurde zum Hospizplatz. Alle Medikamente, Nahrung, Physiotherapie, Zeit und Zuwendung konnten ihr Leben nicht mehr retten.

Wir hätten ihr so sehr „ein gutes Leben danach“ gewünscht, eins, wo Schafe keine „Nutztiere“ sind, sondern einfach für sich selbst leben, für ihre Freundschaften, für alles, was ihre Wünsche gewesen wären.

Adieu, Viola.