Vielen bleibt leider nur wenig Zeit. Umso wichtiger, dass diese Zeit eine gute Zeit ist.
Ein dunkler, verdreckter Taubenschlag eines „Kleintierzüchters“, darin Kaninchenstall an Kaninchenstall, die Buchten so klein, dass die Kaninchen, die zur Zucht und Schlachtung dort einzeln eingesperrt waren, sich nicht einmal komplett aufrichten konnten: Das war das Leben von Riesenscheckin Hummel und 11 anderen Kaninchen aus dieser Haltung, die alle das Glück hatten, im Sommer 2021 ins Land der Tiere einziehen zu können. Diese Ställe und die dortige „Schlachtkaninchenzucht“ wurden Vergangenheit, weil der Kaninchenbesitzer aus dem Krankenhaus nicht mehr zurückkam.
Die erste Zeit im Land der Tiere verbrachte Hummel zusammen mit ihrer Mutter Helga und ihren winzigen jüngeren Geschwistern, die sie liebevoll mitbetreute und bekuschelte. Hummels Geheimnis, wie auch immer sie es schaffte, die Kleinen nicht bei ihren Aktivitäten „über den Haufen zu hoppeln“, hat sie uns nie verraten. Bei uns schaffte sie das – und das Umstellen von Möbeln in ihrem Zimmer führte auch zu Kollisionen. Hummel war blind, unklar ob genetisch bedingt oder durch eine frühe Infektion. Sie meisterte trotzdem ihre Wege, hoppelte mit dem Kleinen fröhlich rein und raus zwischen Zimmer und Außengehege.
Als ihre Geschwisterchen dann so groß waren, dass es Zeit wurde, den Rest der Familie wiederzutreffen und mit ihrem Vater und ihren gleichaltrigen Brüdern zusammenzuziehen, war es nicht leicht für Hummel, sich neu zu orientieren. Die Kaninchenfamilie fand ohne Probleme schnell zusammen und Hummel kam wunderbar mit den Jungs klar. Doch eines machte ihr Probleme: Die Tür nach draußen. Sie misstraute der Sache. Und während alle anderen fröhlich draußen auf der Wiese und um die Bäume hoppelten, saß Hummel in der Tür und bewegte sich keinen Zentimeter raus. Die Hoppel-Luke in der Wand war ihr zu suspekt. Statt der Möhrenspur zu folgen, die wir ihr täglich nach draußen auslegten, um sie zu locken, trainierte Hummel, sich so lang zu machen, dass sie sich möglichst viele Möhrenstücke von außen nach innen hangeln konnte.
Wir wussten, sie schafft es irgendwann. Und es war so. Hummel sah bzw. roch und hörte sich alles über drei Wochen lang an. Vielleicht übte sie heimlich. Und dann ging sie eines Morgens einfach raus, als ob es ihr plötzlich selbstverständlich wäre. Ging jeden Weg x-mal hin und zurück, um sich Wegmarken einzuprägen. Unfassbar schnell hatte Hummel dann ihre Landkarte im Kopf. Hoppelte vergnügt mit den anderen herum, wuselte hin und her und war oft morgens die Erste, die rausflitzte, sich draußen eine Möhre schnappte und damit an einem sicheren Ort unter irgendeinem Strauch verschwand.
Ihre Möhren konnte sie so sichern. Ihr Leben leider nicht. Riesenschecken leiden sehr häufig unter vielfältigen genetischen Problemen und Krankheiten, die ihre Lebenserwartung enorm verkürzen. Denjenigen, die sie züchten, ist es wohl egal. Es ist für sie nicht relevant bei Kaninchen, die gezüchtet und früh geschlachtet werden.
Für die Kaninchen selbst ist es relevant. Hummel war grade erst zwei Jahre alt, als ihr Herz in der Nacht versagte.
Adieu, Hummel.
Danke an Nadine und Frank, die Hummel und ihre Familie retteten und ins Land der Tiere brachten.