Abschied von einer unserer ersten und ältesten Bewohnerinnen: Mupf.
Als Mupf 2015 ins noch ganz neue Land der Tiere einzog, gab es hier erst zwei Schafe außer ihr. Zwei alte Herren, die wir lange kannten, bevor das Land der Tiere existierte – und ein Versprechen, dass es ihre Heimat für den Rest des Lebens sein würde.
Mupf kam zur richtigen Zeit für die alten Herren. Die beiden hatten grade ihre geliebte Freundin und Vertraute verloren, ein kleines altes Schäfchen, welches den Herren immer jede Entscheidung abgenommen hatte. Die alten Herren waren tieftraurig und orientierungslos nach ihrem Tod.
Und dann kam Mupf. Verwahrlost, verdreckt, verfilzt und einsam und verlassen stand Mupf, Schafdame fortgeschrittenen Alters, zuvor auf einem Grundstück, wo nichts Essbares mehr wuchs – ein vergessenes Schaf, wo sich nicht einmal mehr jemand um die verlässliche Versorgung mit Wasser kümmerte. Es gelang ihrem Retter, sie dem Besitzer „abzuschwatzen“. Und den Ort zu finden, wo sie zusammen mit anderen Schafen in Ruhe alt werden kann: Das Land der Tiere. Im Sommer 2015 zog sie ein.
Mupf schloss sofort Freundschaft mit den beiden alten Schafherren, denen sie eine extrem treue Gefährtin wurde, die gutgelaunt jedes Problem der alten Orientierungslosen löste, ihnen Sicherheit gab, wie auch immer sie das machte. Sie wurde auch unsere Vertraute und Freundin. Es dauerte nicht lange, bis zu unseren Tagen gehörte, ihr samtiges Sommersprossengesicht zu streicheln. Es wird eines der Dinge bleiben, die wir nie vergessen werden: das Gefühl ihres Samtsommersprossengesichtes an den Fingern.
Vielleicht erinnert auch Kater Klaus das Gefühl, das von Sicherheit in ihrer Nähe, dass des Samtgesichtes, an dem er so oft seinen eigenen Kopf anschmiegte. Als Klaus unfreiwillig im Land der Tiere strandete, hatte er keinerlei Vertrauen zu Menschen. Wir fanden ihn dann bei den Schafen, mit denen er das Bett teilte. Nicht nur das: er zog zusammen, Seite an Seite, mit Mupf und den alten Herren herum. Wahrscheinlich hat er was uns betraf einfach eine Weile geschaut: Die Schafe und die Menschen – ist es okay zwischen ihnen? Was sagt Mupf?
Vielleicht war sie so eine Art Sozialarbeiterin unter den Schafen. Nicht nur Klaus konnte sie erklären, dass alles gut ist. Über 30 Schafe zogen während Mupfs Zeit im Land ein. Vor allem am Anfang war sie immer diejenige, die „vermittelte“, die Neuen und die Alten zusammenbrachte und verband. Wenn Mupf „Hummeln im Po“ hatte und eigentlich an den „Spaßrennen“ der jüngeren Schafe teilnehmen wollte, überlegt sie oftmals, ob sie wirklich dafür die alten Herren verlassen soll. Sie tat es, hüpfte, wie Schafe in größtem Vergnügen hüpfen können – und war kurz darauf wieder bei ihnen. Mupf war an der Seite der beiden alten Herren, bis sie in hohem Alter starben.
In den letzten Monaten alterte auch Mupf zusehends. Vieles fiel ihr schwerer. Die alten Knochen und ein schweres Herzproblem dämpften ihre Energie. Trotzdem ließ sie es sich nicht nehmen, da zu sein, wo sie sein wollte: zwischen den anderen Schafen. Sie zog zusammen mit ihnen herum, obwohl ihr die Wege Probleme bereiteten. Mit ein paar anderen alten oder kranken Schafen beim Stall zu bleiben und abzuwarten war für sie keine echte Option. Sie wusste ja eh selbst am besten, was gut für sie ist. Wenn sie mitwollte und konnte, sollte sie.
Der Tag, an dem sie nicht mehr können würde, rückte näher und näher. Mupf brauchte immer häufiger Aufstehhilfe. Als wir dachten, der Tag sei da, wo sie es nie wieder aus dem Stall schaffen würde, belehrte Mupf uns eines Besseren. Sie zog mit den anderen los, wirkte dabei bei aller Gebrechlichkeit zufrieden.
Es war ihr allerletzter Ausflug, ihre Abschiedsrunde.
Adieu, Mupf.