Für Frau Heinrich war Emil mehr als irgendein anderes Kaninchen. Er war ihr geliebter Partner – und sie bis zum Schluss an Emils Seite.
Niemand weiß, wie viele Millionen Kaninchen grade bei den sogenannten „Kaninchenzüchtern“ in ihren winzigen Ställen und Buchten hocken. Einsam, jeder normalen Lebensmöglichkeit beraubt, als Zucht-, Mast- und Ausstellungstiere, bis der Tag kommt, an dem ihre „Besitzer“ den Hauklotz neben den Stall stellen und sie schlachten. Emil hatte das Glück, dass der alte Mann, in dessen Kaninchenstall er neben noch drei anderen Überlebenden saß, dem Rest einer jahrzehntelangen Kaninchenzucht, krank wurde.
Die Enkelin des kranken Kaninchenzüchters ergriff im Juli 2018 die Chance, das Leiden der eingesperrten Tiere endlich zu beenden und bat im Land der Tiere um einen Platz für die Kaninchen. Denn mit „Liebe zur Natur“, „sinnvoller Freizeitgestaltung“, „verantwortlichem Handeln gegenüber dem Mitgeschöpf“ und allem anderem Beschönigendem, was Kaninchenzüchter über ihr „Hobby“ sagen, hat Kaninchenzucht nichts zu tun. Unterm Strich bleibt millionenfache Tierquälerei, die Opfer ohne Leben.
Emil und seine „Mitgefangenen“ – zwei Schwestern und ein Bruder – ging es auch gesundheitlich schlecht: Nicht nur starker Ohrmilbenbefall plagte sie. Emil brachte eine wahrscheinlich zuchtbedingte Augentrübung mit, die seine Sehfähigkeit beeinflusste, aber ihn nie davon abhielt, zu tun, was er wollte: Kaninchen sein. Herumflitzten, buddeln, chillen, kuscheln, mit dem Bruder zanken. Emil überlebte trotz seiner „Baustellen“ seine drei Geschwister, die wie er alle an typischen „Mastkaninchenproblemen“ litten: Herzprobleme, Rückenprobleme, Pododermatitis, dazu noch chronischer Schnupfen und diverses mehr.
Emil ließ sich durch nichts beirren, lebte zufrieden in einer größeren Gruppe Freilaufkaninchen. Nach dem Tod seiner Schwestern, mit denen er ein sehr inniges Verhältnis hatte, gehörte zu seinen Lieblingsbeschäftigungen, sich mit seinem Bruder Oscar zu streiten. Und sich wieder mit ihm zu versöhnen. Nach Oscars Tod kümmerte sich Emil liebevoll um die Freundinnen seines Bruders. Zu unserem Erstaunen wurde ausgerechnet die eher kratzbürstige Frau Heinrich Oscars beste Freundin und Partnerin. Die beiden kuschelten. Kuschelten. Und kuschelten. Bis zu Emils letztem Tag.
Emils Körper kapitulierte am Ende. Seine Rückenprobleme wurden unumkehrbar so dramatisch, dass er seine Lauf- und Handlungsfähigkeit verlor. Wir konnten nichts mehr für ihn tun, außer ihn einschläfern zu lassen. Emil starb in Alter von viereinhalb Jahren.
Adieu, Emil.