Manchmal ist es einfach „Liebe auf den ersten Blick“. Diese dauerte fünf Monate, die vielleicht die besten seines Lebens waren.
Als Filippi im Dezember 2020 einzog, begann eine intensive Zeit. Er sollte etwa sieben Jahre alt sein, humpeln aufgrund eines alten Beinproblemes, was ihn aber nicht stören würde. Die OP sei gelungen, er würde schon viel besser laufen. Unmittelbar bevor er einziehen sollte, bekamen wir die Nachricht, Filippi würde abbauen. Die spanischen Ärzte meinten, es gäbe vielleicht ein Tumorproblem, ihre dahingehenden Untersuchungen waren allerdings ergebnislos.
Ob er trotzdem zu uns ziehen dürfte? Heute wissen wir, dass unsere Antwort, dass das Einzige, was wir bereuen würden, wahrscheinlich sein würde, ihn nicht viel früher kennengelernt zu haben, stimmt.
Der alte Herr war komplett abgebaut, als er ankam. Nicht 7, sondern eher 15 Jahre alt, mindestens halb blind. Klapperdürr, dehydriert, mit einer infizierten OP-Wunde, aus der uns sein Beinimplantat anblinkte. Dazu Babesiose, Herz und Lunge extrem vergrößert, Hyperkalzämie – für die wir dann nach x Untersuchungen die Ursache fanden. Ein Tumor zwischen Herz und Lunge. Ab diesem Zeitpunkt wussten wir, dass wir uns wegen des Implantats und der multiresistenten Keime sozusagen keine Sorgen mehr machen mussten. Nur die, dass es hält, bis der Tumor sein Leben beendet. Es hielt. Mit 5 Monaten Antibiotika und ständigen Verbandwechseln.
Filippi lief und tat das, was er in seinem langen Leben als Jagdhund und Verlorener zuvor wahrscheinlich nicht konnte. Tun, was er wollte, leben zwischen bequemem Bett, vollen Futternäpfen und entspannten Spaziergängen. Er entwickelte eine Vorliebe für… Eulenscheiße. Sein Grinsen, wenn er genüsslich kauend unter einem der Eulenschlafbäume „Beute gemacht hatte“, entschädigte uns für schlaflose Nächte mit ihm, in denen er alle zwei Stunden zum Pinkeln rausmusste. Schlaflos, nicht nur wegen der nächtlichen Spaziergänge, sondern weil jedes Pinkeln ein eindeutiges Zeichen des Tumors war, der seinen Körper zerstörte und das Kalzium aus seinen Knochen zog.
Filippis Körper baute auf und ab. Oft dachten wir, sein letzter Tag sei gekommen. Diese Tage, wo er es nicht unter die Eulenbäume schaffte, sondern einfach im Bett lag und schlief. Nicht zum Essen aufstand. Kaum ansprechbar war. Jedes Mal schaffte er es wieder, plötzlich stand er auf, hatte mächtigen Appetit, ging spazieren, freute sich rund – er wedelte wirklich rund! – so ganz selbstverständlich.
Dann hatte er wieder diese Tage. Nichts ging. Wir glaubten nicht daran, dass er noch einmal aufsteht. Und dann stand er wieder da. Mit gutem Appetit. Grinsend unter den Eulenbäumen. Ging vorsichtig ein Ründchen spazieren. Doch etwas war anders. Er war „näher“, viel näher als sonst, dieser Filippi, der echte körperliche Nähe zu seinen Menschen nie wollte. Ein Wochenende lang war er wieder der Filippi, der so an jemanden erinnerte, der nach einer tödlichen Diagnose auf Kreuzfahrt geht und alles Gute mitnimmt, was er immer erleben wollte. Filippi tat es bis zum letztem Moment. Ein letzter Spaziergang, ein letztes Abendessen. Er ging danach wie gewohnt zum Pinkeln raus. Sein letztes Mal, in Begleitung „seiner“ Menschin, die sich fünf Monate zuvor auf den ersten Blick in ihn verliebte. Sekunden später starb er.
Adieu, Filippi