Mrs. Bean, für manche „Bohne“, andere „Böhnchen“ – oder auch „dicke Bohne“. Für ihr “Dicksein” konnte sie nichts, es war ihre „Mastgenetik“. Die Genetik, die sie Jahre ihres Lebens gekostet hat.
Mrs. Bean kam im März 2020 aus einem „Tiersammelhaushalt“ zu uns, als dort Dutzende Tiere aus Tierschutzgründen geräumt wurden. Ihre „Besitzerin“ führte einen angeblichen „Hundegnadenhof“, die Hunde lebten unter unfassbar schlechten Bedingungen. Auch viele Vögel hielt sie – darunter zwei Puten, für die bei der Räumung noch kein Platz gefunden war, wo sie unterkommen konnten. Mrs. Bean und ihre damalige Freundin Fräulein Schmittlauch zogen ins Land der Tiere ein.
Damalig, weil aus ihrer Freundschaft irgendwann Feindschaft wurde. Zuerst lebten sie zusammen als beste Freundinnen – und irgendwann verkrachten sie sich. Puten sind äußerst spezielle Wesen, vor allem die „menschenaffinen“ unter ihnen. Sie schaffen es, sich bis aufs Blut zu streiten: um die Gunst der von ihnen ausgewählten Lieblingsmenschen, manchmal ticken sie auch einfach durch, wenn eine jemand anderen anstänkert, das geht oft über in gegenseitiges Gestänkere.
Wir versuchten alle Tricks, um die beiden wieder zu vereinen und zu versöhnen. Ohne jeden Erfolg. Sie trennen zu müssen tat uns unglaublich leid, aber Beschädigungskämpfe unter Puten, noch dazu denen schwerer Rassen, können schnell ein übles bis tödliches Ende nehmen. Mrs. Bean zog zwei Zimmer weiter zu Pute Lotta und ihren Brüdern Kurti und Sputnik und den Hühnern. Alles harmonisch.
Mit Menschen blieb sie „wechselhaft“. Während sie von manchen Streicheleinheiten forderte und sehr genoss, wurden andere vehement von ihr aus dem Garten verjagt. Lautstark und mit Bissen in die Beine. Je nach Tageslaune, Wetterlage oder was auch immer sie zu ihrem oft nicht vorhersehbaren Verhalten brachte. Viele unserer Sonntagsbesucher*innen haben sie kennengelernt, manche durften sie ausgiebig hinterm Ohr kraulen und ihr Gefieder streicheln, was sie sichtlich genoss. Bis sie jemanden erspähte, den sie nicht in ihrer Nähe dulden wollte. Geschnatter, Bisse. „Okay, Mrs. Bean möchte, dass wir schnell wieder gehen“. Dann gingen wir.
Ihren Körper im Verlauf der Zeit zu sehen war traurig. Zu groß, zu schwer, zu fehlproportioniert. Mit zunehmendem Brustmuskelwachstum, auf das Puten wie sie eben gezüchtet sind, weil es genau „das Teilstück“ ist, was den Profit im Fleischgeschäft bringt, wurde ihr Körper untauglicher für sie. Die Körperhaltung beeinflusst durch diesen schweren Muskel, der aufrechtes Gehen zu erschweren begann. Ihre Beinstellung veränderte sich. Vogelbeine sind natürlicherweise so angeordnet, dass sie sich grade und mittig und nah beieinander unter dem Vogel befinden. Mrs. Beans Beine gingen immer mehr auseinander. Man hätte fast einen Fußball zwischendurch schießen können.
Was das mit Knochen, Gelenken und Hüfte macht, wissen wir längst. Und jede Veränderung der Körper- und Beinhaltung einer Pute zeigt uns, dass der Zähler für ihre Lebenszeit unaufhörlich tickt. Schnell tickt. Bereits im vergangenen Sommer zeichnete sich ab, dass es ihr letzter Sommer sein würde. Ein Sommer, in dem sie es genoss, mit den anderen draußen zu sein, herumzulaufen, Gräser zu picken, in Sand und Sonne zu baden, sich den Wind um die Federn wehen zu lassen, ein Mittagsschläfchen mit ihrer Freundin Lotta unterm Gartentisch abzuhalten.
Am Ende ging alles ganz schnell. Das Gewicht ihres Brustmuskels zog sie um. Von einem Tag auf den anderen konnte sie nicht mehr aufstehen. Die immer so eigenwillig und stark gewesene Mrs. Bean kapitulierte vor der Tatsache, ihre Selbstbestimmtheit verloren zu haben.
Mrs. Bean mit all ihren Liebenswürdigkeiten, Bissigkeiten und jeder Menge Lust, zu leben, gehörte drei Jahre zur Land der Tiere-Familie. Sie wurde im Februar 2023 im Alter von etwa vier bis fünf Jahren eingeschläfert.
Adieu, Mrs. Bean.