Als die ersten „Mast“putenküken ins Land der Tiere einzogen, hatten wir noch die verrückte Hoffnung, sie wären in der Lage, ein mehr oder weniger normales Putenleben zu führen. Optimale Versorgung, pingelige Sauberkeit, viel Bewegung, ein fantastisches Leben könnten irgendwie irgendetwas an ihrer genetisch programmierten Lebensunfähigkeit so drehen, dass ihre Lebenserwartung „akzeptabel“ würde. Ein Leben, welches auch rein zeitlich weit über das das Dasein hinausgehen würde, welches Puten in Mastanlagen haben. Und ohne die Probleme, unter welchen die Tiere aufgrund ihres immensen Wachstums leiden. 21 Wochen existieren Putenhähne in den Mastanlagen – sofern sie nicht vorher schon sterben. Zusammengebrochen unter dem eigenen Gewicht…
Mit 21 Wochen, da werden sie üblicher Weise geschlachtet, wiegen die Hähne 21 Kilo. Wenn sie bis dahin überhaupt überlebt haben. Ein Vogel, lange nicht erwachsen, 21 Kilo! Ein etwa 9 Kilo schwerer Brustmuskel, der ihn nach unten zieht und die Gelenke zerstört, bis er nicht mehr stehen kann, „fette Keulen“, die ihn schon in jungem Alter nicht mehr laufen lassen. Dazu Herz-Kreislauf-Probleme, manche fallen einfach tot um, wegen geplatzter Schlagadern.
Wofür?
Putenfleisch…

Irgendwann kommt der Tag, an dem jede „Mast“pute anfängt, zu humpeln. Auch die aus Mastanlagen vor der Schlachtung Geretteten…
Ein Problem in einem Gelenk ist der Anfang vom Ende. Und wir können medizinisch nichts, gar nichts tun, außer die Vögel mit Schmerzmitteln zu versorgen, wenn sie anfangen, zu humpeln. Bei den anfälligen furchtbar schweren Körpern wird ein einziges Gelenkproblem in kurzer Zeit zum Komplettproblem: Hämatom im Knie, Fehlbelastung, Hüftversagen, Bewegungsunfähigkeit. Liegen. Das macht der Bauch mit dem angezüchteten fetten Brustmuskel nicht mit: Dekubitus. In der Putenmast als „Brustblase“ bekannt. Eitrige Beulen, offene Stellen – im Schlachthof werden sie weitgehend weggeschnitten. Oder die Pute landet als „schlachtuntauglich“ im Müll.

Im Leben als gerettete Pute bedeutet es ihr Lebensende, wenn sie nicht mehr aufstehen können, ihre Körper unter dem eigenen Gewicht kapituliert haben. Unseren Abschied. Unsere Wut. Unsere Trauer. Storchs Zustand hatte sich in den letzten Wochen zusehends verschlechtert. Das Humpeln nahm zu. Er konnte seit einigen Tagen kaum noch aufstehen. Wir wussten längst, dass der Tag bald kommt. Der Tag, wo er nicht mehr in der Lage sein würde, aufzustehen. Wir waren vorbereitet, von ihm Abschied nehmen zu müssen – aber das macht es nicht besser. Nicht schöner. Nicht erträglicher.

Storch wurde vergangenes Jahr kurz vor seiner Schlachtung in furchtbarem Zustand aus einer Mastanlage gerettet. Er erholte sich unerwartet gut nach seinem Einzug ins Land der Tiere – und für ihn folgte eine unerwartet lange, gute, glückliche Zeit. Zusammen mit „seinen“ Damen Putinnen und allem, was ein Puter schätzt. Storch wurde 13 Monate alt. Alt für einem „Mast“puter. Für ihn und uns waren es nur 13 Monate. Er starb nicht so früh wegen „unglücklicher Umstände“, sondern weil Puten zu lebensunfähigen Fleischbergen gezüchtet werden. Und ja, wir wünschen uns, viel mehr Menschen hätten ihn kennenlernen können, seine unglaublich sanfte Art – und seine Freude am Leben.

Adieu, Storch.


Adieu, Storch.

Schwein Pauline im Land der Tiere, einem Lebenshof für ehemalige "Nutztiere" in Mecklenburg-Vorpommern, idyllisch gelegen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe zwischen Hamburg und Berlin

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Hündin Nica im Land der Tiere, einem Lebenshof für ehemalige "Nutztiere" in Mecklenburg-Vorpommern, idyllisch gelegen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe zwischen Hamburg und Berlin

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