Warum eine „bessere Haltung“ nicht besser ist

Viele Menschen reagieren auf sichtbares Tierleid mit Forderungen nach „artgerechter Haltung“ und politischen Reformen, schimpfen auf Politiker*innen, „Billigfleisch“ und „Massentierhaltung“. Forderung nach „besserer Haltung“,Tierschutzsiegel oder Tierwohllabel ändern jedoch nichts am grundsätzlichen Leid der Tiere. Im Gegenteil: sie verhindern die Abschaffung von Tierleid und ändern auch nichts an den vielen anderen Problemen wie Umweltverschmutzung und Ressourcenverschwendung, die die tierhaltende Landwirtschaft verursacht.

Schwein Pauline im Land der Tiere, dem veganen Tierschutzzentrum zwischen Hamburg, Berlin und Lüneburg

Die Vorstellung von „artgerechter“ Tierhaltung, „besseren Standards“ oder Biotierhaltung ist, dass Tiere auf grünen Weiden ein glückliches Leben verbringen. Dieses Bild wird von Landwirtschaft, Handel und Politik inszeniert: Die gängige Praxis bei „Nutztierhaltungen“ mit Tierschutzsiegeln oder im Biosektor unterscheidet sich von konventioneller Haltung kaum und hat mit der Vorstellung von „artgerechter Tierhaltung“ nichts zu tun. Selbst die Haltung nach höchsten Biostandards ist immer noch tierquälerisch. Schweinen zum Beispiel stehen nach der Bio-Verordnung rund 1 qm Stallfläche und 1,5 qm Auslauf zu, welcher in der Regel auch auf Betonboden stattfindet. Freilaufbuchten – sofern überhaupt vorhanden – auf Naturboden sind nahezu immer so klein, dass ihr Boden nach kurzer Zeit nur noch aus Matsch vermischt mit Kot und Urin besteht.

Bei anderen Tierarten ist die Kluft zwischen Vorstellung und Realität ähnlich groß. Bio-Kühe werden, wie in der konventionellen Landwirtschaft auch, regelmäßig zwangsgeschwängert und ihnen werden die Kälber geraubt. Ihre Söhne werden bereits nach kurzer Zeit und sie selbst und ihre Töchter bei nachlassender „Leistung“ nach wenigen Jahren geschlachtet, obwohl sie durchaus noch 15 bis 20 Jahre hätten leben können.

Ein Kalb in der Tierindustrie (Foto von Animal Rights Watch e.V. (ARIWA))
Huhn "Franziska Mirabelle Huhn" im Land der Tiere, einem Lebenshof für ehemalige "Nutztiere" in Mecklenburg-Vorpommern, idyllisch gelegen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe zwischen Hamburg und Berlin

Zur Eierproduktion gezüchtete und gehaltene Hühner leiden zu zehntausenden in riesigen „Bio-Ställen“ und ihr Auslauf ist so riesig und weitläufig vom Stall entfernt, dass sie ihn nicht nutzen können. Sie leiden körperlich enorm unter der Qualzüchtung, fast täglich ein Ei legen zu müssen, und werden nach rund einem Jahr getötet. Hier gehen Praxis und allgemeine Vorstellung von „Bio“ und „artgerechter Haltung“ weit auseinander; von glücklichen Tieren im Grünen, die ihre Eier in Strohnester legen, keine Spur. Mehr dazu ist z.B. hier zu finden.

„Aber es gibt sie doch, die Ausnahmehöfe, wo es den Tieren gut geht“

Oftmals wird auf die (immer gleichen) Höfe verwiesen, auf denen die Tiere tatsächlich nahezu so gehalten werden, wie sich die meisten eine „artgerechte“ Haltung vorstellen. Die gibt es tatsächlich. Allerdings sind das in ganz Deutschland derart wenige, dass sie auf die Produktion von Lebensmitteln schlicht keinen Einfluss haben, sondern einem „Delikatessenladen“ für eine Oberschicht entsprechen. Der Wunsch, alle Tiere so zu halten, ist in der Praxis wegen des enormen Platz- und Ressourcenbedarfs nicht möglich.

Welche Flächen wären notwendig, um die Tiere „besser“ zu halten? Ein bekanntes Vorzeigeprojekt zur landwirtschaftlichen Freiland-Schweinehaltung produziert rund 130 Schweine jährlich auf ca. 15 ha Fläche. Das ist der Platzbedarf, um Schweinegehege halbwegs grün halten zu können – alles darunter wird wegen des Wühlverhaltens der Schweine schnell nur noch Matschacker (und selbst das ist dann mit viel Gehegepflege verbunden; eigentlich wäre noch mehr Fläche notwendig). Hochgerechnet auf knapp 60 Millionen Schweine, die in Deutschland jährlich geschlachtet werden, wären das Freilaufflächen von über 60.000 Quadratkilometern – größer als die Bundesländer NRW und MV zusammen. Und zwar nur für die Schweine; die anderen Tierarten noch gar nicht betrachtet. Dieser Platz wäre zusätzlich notwendig, denn die notwendigen Futterflächen, um diese Tiere satt zu bekommen, würden weiterhin benötigt, weil sich Schweine nicht von den Flächen, auf denen sie leben, ernähren können.

Schwein Felix im Land der Tiere, dem veganen Tierschutzzentrum zwischen Hamburg, Berlin und Lüneburg
Pute Fräulein Schmittlauch im Land der Tiere, dem veganen Tierschutzzentrum zwischen Hamburg, Berlin und Lüneburg

Selbst bei drastischer Reduzierung des Konsums stehen Flächen für diese romantisierte Tierhaltungsform tatsächlich nicht zur Verfügung. Diese Haltungsform wird daher immer nur eine Nische bleiben für einige sehr wenige Menschen, die sich das finanziell und organisatorisch leisten können. Neben den ökologischen Nachteilen einer solchen Haltung (siehe weiter unten), ist dies daher ein ziemlich egoistisches Modell für Wenige, aber kein Modell, um die Menschen zu ernähren.

Um Fleisch oder auch andere Produkte vom Tier wie Milch und Eier zu erzeugen, muss, wegen der Stoffwechselverluste der Tiere, zuvor ein Vielfaches an Pflanzenenergie verfüttert werden. Für 100 Kalorien Nutzpflanzen, die statt Menschen derzeit Tiere ernähren, erhalten wir durchschnittlich nur 17 bis 30 Kalorien als Fleisch zurück. Es ist also eine enorme Ressourcen-Verschwendung, fruchtbares Land für den Anbau von Futterpflanzen zu nutzen (Quelle: https://www.boell.de/de/2015/01/08/futtermittel-viel-land-fuer-viel-vieh). Und das, obwohl Ackerflächen weltweit und auch lokal in Deutschland knapp sind und bei derzeitiger Art der Nutzung nicht genug Äcker da sind, um alle Menschen dieser Erde zu ernähren.

Rund 33 Prozent der weltweiten Anbauflächen werden für die Produktion von Tierfutter verwendet; in der Europäischen Union landen sogar 60 Prozent des angebauten Getreides in den Trögen. Auf der anderen Seite leiden rund 690 Millionen Menschen auf dieser Erde Hunger – Tendenz steigend. Derzeit sterben täglich bereits 24.000 Menschen an Unterernährung – meist Kinder.

Natürlich sind es nicht nur fehlende Ackerflächen, die den Welthunger verursachen. Sie sind aber ein wichtiger Schlüssel bei einer Lösung dieser weltweiten Ungerechtigkeit. Eine Agrarwende, eine andere Nutzung der Ackerflächen – weg vom Tierfutter hin zum Anbau von Pflanzen zur menschlichen Ernährung – gäbe uns zumindest die Möglichkeit, alle Menschen zu ernähren. Biotierhaltung oder gar die oben geschilderte romantisierte Freilandhaltung, wie sie sich die meisten Menschen vorstellen und wünschen, ist übrigens besonders verschwenderisch und ressourcenintensiv, weil diese Tiere länger leben als in der konventionellen Haltung und daher mehr Futter und andere Ressourcen benötigen.
Siehe auch: https://www.boell.de/de/2015/01/08/futtermittel-viel-land-fuer-viel-vieh

Mitunter wird angeführt, dass Weideflächen nicht anders genutzt werden können als zur Tierhaltung und diese Flächen ohne Tierhaltung nicht mehr zur Lebensmittelgewinnung zur Verfügung stünden. Auf dieses Dauergrünland kann gänzlich verzichtet werden, wenn wir die vorhandenen Äcker sinnvoller nutzen und dort Pflanzen für Menschen, statt für Tiere anbauen. Zwar sind fast 70% der landwirtschaftlichen Flächen auf der Welt Dauergrünland, damit wird aber nur ein sehr geringer Prozentsatz im unteren, einstelligen Bereich zur Welternährung beigetragen – die überwiegende Mehrheit der Tiere wird in industriellen Betrieben gehalten. Also auch hier eine riesige Verschwendung von Flächen.

Nutzen wir die vorhandenen Äcker effektiver, kann Grünland aufgeforstet oder versumpft werden, wodurch riesige Mengen an CO2 gespeichert würden. Aufzucht und Haltung von Milliarden sogenannter „Nutztiere“ ist übrigens eine der Hauptursachen für Klimawandel, Wasserknappheit und Umweltzerstörung ist. Und das betrifft keinesfalls nur die konventionelle Produktion.
Warum das so ist, lest ihr hier nach: https://www.ariwa.org/umwelt.

Auch gesetzliche Reformen oder andere Politiker*innen ändern also nichts an der Situation der Tiere: entweder die gesetzlichen Vorgaben wären so krass, dass sie praktisch nicht umsetzbar wären (siehe oben) oder aber sie sind so lasch, dass sie den Tieren (so gut wie) nichts bringen.

Seit vielen Jahrzehnten fordern Tierschutzorganisationen bessere Haltungsbedingungen und feiern immer wieder „Erfolge“ – die keine sind. Wenn wir heute in die Ställe schauen, sehen wir trotz dieser nun seit einem halben Jahrhundert gefeierten „Tierschutzerfolge“ keine nennenswerten Veränderungen: Die Tiere leiden unfassbar. Und dies selbst in Bioställen, deren Standards weit über dem liegen, was die reformistisch arbeitenden Tierschutzorganisationen fordern.

Solche öffentlichen Forderungen nach „besserer Haltung“ haben erhebliche negative Auswirkungen für die Tiere: Es eröffnet Menschen psychologisch die Möglichkeit, den eigenen Konsum aus der Verantwortlichkeit zu nehmen und „Missstände“ der Politik in die Schuhe zu schieben. Ihnen wird es sehr leicht gemacht, lieber eine Petition zu unterschreiben und eine Spende zu leisten, um ihr Gewissen zu beruhigen, statt sich mit dem eigenen Konsum auseinanderzusetzen. Reformistisch arbeitende Tierschutzorganisationen ebnen den Weg dafür.

Selbst wenn diese Organisationen an anderer Stelle auf die Vorteile einer veganen Ernährung hinweisen, zerstören sie durch ihre Forderungen nach „besserer Haltung“ diese Entwicklungen im Ansatz. Wer wirklich daran glauben sollte, durch Reformen bessere Bedingungen für Tiere zu erwirken, soll sich dahingehend engagieren: aber dann fernab der Öffentlichkeit. Denn sonst sind ihre Forderungen schädlicher als ihr vermeintlicher Nutzen.
Mehr dazu unter https://www.ariwa.org/was-reformen-verraten/.

Wovon Schweine wohl träumen?

Das Land der Tiere ist kein „Bauernhof“, wo Tiere gezüchtet, genutzt, geschlachtet und gegessen werden. Sondern ein Ort, wo gerettete Tiere ohne jede Nutzung und in Frieden bis zu ihrem natürlichen Tod leben. Wo es keinen Unterschied macht, ob ein Tier ein Hund oder ein Schwein ist.

Warum wir das noch mal erwähnen? Tatsächlich fragen wir uns täglich, wie Menschen, die sich unsere Videos mit glücklichen lebendigen Tieren anschauen und es toll finden, wie sie leben, „automatisch“ bei einem Gedanken enden: „Fleisch“! Es sind individuelle Persönlichkeiten, die einfach nur leben möchten; genau wie der Familienhund, die geliebte Katze oder der Mensch.

Schwein Lulu im Land der Tiere, dem veganen Tierschutzzentrum zwischen Hamburg, Berlin und Lüneburg

Die Lösung liegt auf dem eigenen Teller

Essen ist keine Privatsache, wenn dadurch Leid und Tod für Dritte entsteht. Unsere Ernährungsgewohnheiten steuern so Vieles: Tierleid, Welthunger, Umweltzerstörung, Klimawandel. Die romantisierte Form der „Nutztierhaltung auf der grünen Wiese“ bliebe aus genannten Gründen und auch finanziell (ein zehnfacher Preis ist keine Seltenheit) nur einer „kleinen Oberschicht“ vorbehalten, die es sich leisten kann, und wäre keine Lösung zur Ernährung der Menschheit und gegen den Klimawandel.

Frau Meier, gerettetes Huhn, im Land der Tiere, dem veganen Tierschutzzentrum zwischen Hamburg, Berlin und Lüneburg

Dass auch bei bester Haltung einem Tier das Leben genommen wird, ist allein bereits Grund genug, auf eine pflanzliche Ernährung umzusteigen. Wir setzen uns für eine breite und ehrliche Diskussion ein und werben für den Umstieg in eine pflanzenbasierte Landwirtschaft. Es ist die einzige Möglichkeit, die Ausbeutung und ganz praktisch das Leiden der Tiere in der „Nutztierhaltung“ abzuschaffen. Damit das gelingt, brauchen wir eine ehrliche Diskussion in der gesamten Gesellschaft, politischen Willen und finanzielle und praktische Unterstützung für die Landwirtschaft.