Ein bisschen „Sensation“, ein bisschen „Katastrophe“ – und jede Menge Glück: Willkommen im Leben, Neuneinhalbgramm! 🐢 ❤
Wir haben dieses frisch geschlüpfte Schildkrötenbaby am 20. April morgens bei kalten 7 Grad neben den Schildkrötengehegen mitten auf einem Weg gefunden, wahrscheinlich von Elstern oder anderen Vögeln dort „abgeworfen“. Ganz frisch aus dem Ei gepellt. Gewicht: neuneinhalb Gramm. Eine Naturbrut, die man in unseren Breiten vor nicht langer Zeit noch für unmöglich hielt. Noch dazu hat dieses Baby im Ei überwintert. Respekt! ❤
Die Inkubationszeit eines Schildkröteneies liegt normalerweise bei zwei bis drei Monaten und Temperaturen zwischen 25 und 35 Grad – und noch dazu hatte dieser Schlüpfling voll entwickelt im Ei überwintert. Das winzige Krötchen war bis auf eine Miniverletzung am Vorderbein okay, als wir es fanden, aber nicht wirklich aktiv. Kein Wunder bei den Temperaturen und wenn man fast ein Jahr in einem Ei war. Die anfänglichen Augenprobleme haben wir zum Glück jetzt besiegt und das Baby ist mobil und aktiv und isst jetzt gut.
Ein „Albtraum“ ist der Fund des Babys nicht wegen des Babys, sondern weil wir keine Ahnung haben, ob noch weitere Schildkrötenbabys irgendwo in einem Gehege unterm Moos versteckt habitieren. Vielleicht tauchen noch ein paar Geschwister von Neuneinhalbgramm auf, wer weiß das schon.
Seit fast 20 Jahren leben bei uns die weiblichen und männlichen Schildkröten dauerhaft getrennt, weil trotz großer, strukturierter Gehege die Belästigungen der weiblichen Tiere durch die Jungs nicht mehr okay waren. Zuchtabsichten gibt es sowieso keine, warum also der Stress. Vor 15 Jahren, Jahre nachdem die weiblichen zu den männlichen Schildkröten Kontakt hatten, hatten wir bereits die Überraschung einer Naturbrut, die einer unserer Hunde fand, und wissen seitdem um die Sache mit der Fähigkeit zur jahrelangen „Spermaspeicherung“…
Gelege werden seit dieser Erkenntnis auch in den Gehegen der reinen Mädelsgruppe entfernt. In den anderen, wo wir nicht sicher sein können oder wissen, die Tiere kommen aus gemischtgeschlechtlichen Haltungen, entfernen wir Gelegen sowieso. Sofern sie auffindbar sind. Und da ist der Haken. Bei der Größe, dem Wildwuchs und da wir nicht 24 Stunden bei den Schildkröten sind, überhaupt keine sichere Sache. Ordentliche Schildkrötenweibchen hinterlassen keine Spuren, nachdem das Nest voll und verschlossen ist. Kameraüberwachung ist bei der Größe unserer Gehege nicht praktikabel.
Lange Zeit dachten alle: Kein Problem. Die Eier werden in Deutschland im Freiland eh nichts. Die Kleine jetzt, dazu die Naturbrut vor 10 Jahren, damals lebten wir noch im Mittelgebirge (der Herr lebt auch heute noch bei uns und heißt „Das Baby“), die Naturbruten aus Brandenburg, die seit zwei Jahren bei uns sind, nachdem sie einfach draußen bei Menschen aus einem Erdhügel kamen, die viele Monate zuvor die Schildkrötenhaltung aufgegeben hatten…
Was ist „Klimawandel sei Dank“ möglich? Was erwartet uns? Grade in den Auffangstationen stehen wir wahrscheinlich vor neuen Problemen, an die wir vor 20-30 Jahren nur in den verrücktesten (Alb)träumen dachten: Schildkrötenbabys aus Naturbruten.
Dieses Baby immerhin hat Glück, und natürlich ist es „Ehrensache“, dass es im Land der Tiere bleiben wird. Unter welchem Thymian oder wo auch immer seine Mutter vergangenes Jahr das Ei vergraben hat, aus dem es nun schlüpfte, bleibt ihr Geheimnis. 🐢