Als wir Paulchen vor vier Jahren kennenlernten, waren sie und ihre Tochter Brigitte „Angst pur“. Und das, obwohl sie ihre Besitzerin, die früher Schafe als Nutztiere hielt, davon überzeugt hatten, dass es gut ist, damit aufzuhören und Schafe einfach Schafe sein zu lassen – leben zu lassen. Lämmer nicht zu schlachten, Schafe überhaupt nicht mehr „zu nutzen“.
Paulchen war zu dem Zeitpunkt, wo sich ihre Besitzerin aus Altersgründen von ihr und Brigitte trennen musste, was ihr sehr schwer fiel, 13 Jahre alt. Und eine „gesundheitliche Baustelle“. Einzellige Parasiten hatten ihren Darm nachhaltig geschädigt. Paulchen war damit „Dauerpatientin“.
Als sie und ihre Tochter zu uns kamen, hätten wir nie gedacht, dass wir überhaupt jemals an sie rankommen, ihr Vertrauen gewinnen können. Sobald wir bei den Schafen auftauchten, waren Paulchen und Brigitte: weg. Auf der Flucht. Nach einiger Zeit – ob die anderen Schafe es ihr flüsterten oder wie auch immer – begann Paulchen, ganz langsam Vertrauen zu finden. Begab sich nicht mehr auf sie Flucht, wenn Menschen kamen. Und irgendwann stand sie da und ließ sich streicheln.
Ließ sich ohne Angst behandeln. Es war immer wieder notwendig, durch ihre Darmschädigung war sie „Durchfalldauerpatientin“. Baden, waschen, Medikamente: überhaupt kein Problem für Paulchen. Paulchen wurde regelrecht anhänglich. Sehr anhänglich. Und überzeugte sogar ihre Tochter davon, dass sie keine Angst mehr haben muss. Irgendwann kam Brigitte. Holte sich einen Keks ab. Ließ sich anfassen. Immer und bis heute ein bisschen mit so einem „was tu ich hier, ist das WIRKLICH OKAY“-Blick. Oh ja, es ist okay, Brigitte.
Die Integration in die Schafgruppe schafften beide super schnell. Auch dort entstand Vertrauen, entstanden Freundschaften. Freundschaften, die jetzt Brigitte helfen. Brigitte, die nun ohne ihre Mutter ist.
Paulchen hat uns nicht Bescheid gesagt, dass sie geht. Es geschah plötzlich und unerwartet, auch wenn der Tod bei einem 17jährigen „Patientinnenschaf“ eigentlich immer nahe ist. Paulchens letzte Tage waren ohne größere Probleme, schöne Tage, wo sie mit Brigitte und den anderen herumzog. Paulchen starb in der Nacht, ohne Ankündigung. Die anderen Schafe waren bei ihr, konnten Abschied nehmen, ihren Tod akzeptieren – wie wir es jetzt auch müssen.
Adieu, Paulchen.