Manche werden immer da sein, auch wenn sie nicht mehr hier sind. So wie Kaninchen Frau Dr. „Mutti“ Hasenbein.
Als wir vor drei Jahren zu einer „schlechten Ziegenhaltung“ zwei Dörfer weiter gerufen wurden und hinfuhren, sahen wir als Erstes die gammeligen Kaninchenställe vorm Haus. Und bevor wir überhaupt auf dem Grundstück waren, war klar: Diese Tiere werden nicht dort bleiben. Zwei Kaninchenmütter, eine schon getrennt von ihren Kindern, alle in winzigen Holzbuchten, eine Mutter mit mickrigen, dehydrierten, todkranken Babys. Die anderen waren schon gestorben. Futter und Wasser: gab es nicht. Wann dort das letzte Mal saubergemacht wurde, war nicht mehr ersichtlich. Kot und Urin von Monaten in den Ställen.
Das Veterinäramt war kurz vor uns bei dem Haus. Und ging unverrichteter Dinge wieder, weil niemand auf das Klingeln reagierte. Wir gingen rein, sprachen mit der „Besitzerin“, die angab, eigentlich gar nicht die Besitzerin zu sein, überfordert und mittellos, weder „einsichtig“ noch „schuldbewusst“. Die Tiere müssten wahrscheinlich eh weg, der Nachbar hätte schon angeboten, sie zeitnah zu schlachten.
Nach langen Gesprächen kam das heraus: Einvernehmlich mit der „Besitzerin“ gingen wir mit der Kaninchenmama mit den kranken Babys von Hof: „Mutti“ Hasenbein und ihren Kids. Die Fahrt ging direkt in die Tierarztpraxis. Und dank sofortiger Behandlung konnten wir bis auf eines der Babys alle retten.
In den Folgetagen holten wir die anderen Kaninchen. Alle. Die Enten. Und zwei Ziegen. Eine schwanger. Der Zustand aller Tiere: nicht gut. Auch Familie Dr. Hasenbein brachte gleich mehrere Probleme mit: Unter anderem chronischen Schnupfen. Vor allem die beiden Hasenbein-Mamas erwischte es immer wieder so stark, dass sie Dauerpatientinnen wurden und um Medikamente und Inhalation nicht herum kamen. Nach schlechten Wochen folgten gute Wochen, dann wieder schlechte Wochen. „Die kleine“ Hasenbein-Mama bekam in den vergangenen Wochen zusehends mehr Probleme, baute körperlich ab, trotz Behandlung, täglichen Inhalationen, trotz Spezialnahrung, trotz intensivster Betreuung. Und verlor trotzdem nicht die Lust, zu leben.
Dünn und krank wie sie war, war sie trotzdem immer dabei, zusammen mit ihrer Familie. Zusammen Hoppeln, zusammen Buddeln, zusammen Grasen, zusammen Kuscheln, zusammen Äste knabbern, die Umgebung im Blick behalten, sich gegenseitig vor Gefahren warnen, Haken schlagen – eben das, was Familie Dr. Hasenbein so macht. An ihrem letzten Tag beratschlagten wir noch Zuhause bei Familie Dr. Hasenbein mit ihrem Tierarzt, was wir noch Gutes für sie tun könnten, auch wenn es längst keine Hoffnung gab, dass sie noch einmal gesundwerden würde.
Neue Medikamente für den nächsten Tag brauchte sie keine mehr. Frau Dr. „Mutti“ Hasenbein starb ohne besondere Vorankündigung in der Nacht.
Adieu, Frau Dr. Hasenbein.