Liebevolle Erinnerungen

An dieser Stelle möchten wir unserer ehemaligen Mitbewohnerinnen und Mitbewohner gedenken. Danke, dass wir euch ein Stück eures Weges begleiten durften. Wir werden die Erinnerung an euch immer in unseren Herzen tragen.

Puter Georg im Land der Tiere, einem Lebenshof für ehemalige "Nutztiere" in Mecklenburg-Vorpommern, idyllisch gelegen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe zwischen Hamburg und Berlin

Kater Klaus

Kater Klaus hat sie geliebt, die Sonnenuntergänge am Tor. Und wir die Sonnenuntergänge mit ihm.

Die Sonnenuntergänge an dem Tor zum Land der Tiere, wo er vor zehn Jahren bei Sonnenaufgang ausgesetzt wurde. Als er „vom Himmel fiel“ dachten wir, okay, wir füttern ihn durch, kümmern uns, er bleibt oder geht wieder. Dass es dann wurde, wie es wurde, damit hat niemand gerechnet, außer vielleicht Klaus selbst: Es wurden zehn Jahre Glück daraus. Tiefe Verbundenheit. Viele Freundschaften, eine Menge Abenteuer und unfassbare Angst um ihn. Wegen der Abenteuer.

Als Klaus 2015 sozusagen „aus dem Nichts“ auftauchte, war das Land der Tiere noch ganz neu. Und er ein verängstigter, völlig unerfahrener, ungeschickter junger Kater. Kein „junger Wilder“ und auch kein Streuner aus der Gegend, sondern ein Jemand, der noch nie draußen war und selbst nicht wusste, wie er nun zu uns gekommen war. Er konnte nichts von dem, was ein Kater, der draußen überleben will, können muss. Nicht einmal auf einen Baum klettern. Von runter kaum zu reden.

Die einzige schlüssige Erklärung: An dem Tag, wo wir ihn das erste Mal sahen, war bei Sonnenaufgang ein Auto vorm Tor – und zu uns „verirrt“ sich niemand einfach so. Klaus wurde also wahrscheinlich einfach am Tor abgesetzt und verlassen. Schon sehr bald wussten wir: Das Beste, was passieren konnte.

Zum Glück funktionierte unsere Strategie, ihm stunden- und tagelang gut zuzureden und ihm sofort draußen Futter- und Schlafplätze einzurichten. Wildkameraüberwacht. Es funktionierte. Es hatte Hunger. Und war fast stündlich auf der Kamera. Wo er sein Lager aufgeschlagen hatte wussten wir erst nicht. Und dann kam der kleine Kerl morgens gähnend aus dem Schafstall. Zusammen mit seinen ersten Vertrauten: den Schafen. Eine Woche später, nach reichlich vorsichtigem Rumgerutsche auf dem Bauch in seiner Nähe konnten wir ihn anfassen.

Wahrscheinlich hat er schon da bei den Schafen seine Strategie entwickelt: wie er es schafft, im Lauf der Zeit zum „Chef vom Ganzen“ zu werden. Zu demjenigen, der Herdenschutzhunde als beste Freunde hat, der mit den Füßen in der Sahnetorte der Besucher*innen stehen darf und alle finden es wundervoll, zu demjenigen, der es entgegen aller Erwartungen schaffte, sich nicht nur in sämtliche Herzen, sondern auch ins Bett der menschlichen Chef*innenetage zu schleichen.

Klaus studierte. Alle und Alles. Beobachtete alle, egal ob Schaf, Hund, Kaninchen, Pute, Schildkröte oder Mensch, so lange, bis er alles wusste. Wann sich wer wie verhält, wann der Zeitpunkt da ist, zu vertrauen und Freundschaften zu schließen. Dabei nahm er auch Erziehungsmaßnahmen von Zwergkaninchen an, die ihn nach Strich und Faden vermöbelten und ihm Kaninchen-Grenzen zeigten. Er respektierte das. Und schloss im Lauf der Jahre viele Freundschaften mit Kaninchen. Vor allem bei Familie Ostermann tat er so, als sei er einer von ihnen. Phasenweise verlegte er sogar seinen Wohnsitz dorthin. Und lag einfach zusammen mit den Kaninchen in der Bude oder im Garten.

Sein größtes Studienprojekt waren nicht die Bäume. Die besiegte er irgendwann. Es war Zeus. 70 Kilo personifizierter Katzenhass. Alles, was Klaus bis dahin von Krätze, seiner uralten gebrechlichen kleinen Hundefreundin gelernt hatte, war auf den neuen Hund nicht anwendbar. Zeus wollte ihn töten. Ihn ohne Aufsicht draußen zu lassen, das ging nicht. Wir arbeiteten an dem Problem. Und Klaus studierte, während wir auf Zeus aufpassten. Bzw. auf Klausis Leben. Wochenlang. Dann geschah es, bei den Schafen. Klaus kam einfach über die Mauer auf Zeus zu. Der merklich die Luft anhielt. Wir noch mehr. Obwohl wir eigentlich wussten, dass wir den beiden jetzt vertrauen können. Klaus lief einfach auf den Riesenschädel von Zeus zu, senkte den Kopf und puderte sich einmal rundum in Zeuses Gesicht. Ab diesem Moment waren die beiden beste, unzertrennliche Freunde. Und Hundespaziergänge ohne Katerbegleitung nicht mehr normal.

Diese Taktik „wenn es so weit ist pudere ich dein Gesicht“ behielt Klaus bei. Nicht nur bei den nachfolgenden Hunden. Bei allen Tieren. Bei den Schweinen war er dann so weise, nicht so weit zu gehen. Studium sei Dank. Mit wem er das alles nicht nur im Land, sondern auch jenseits des Tores gemacht hat, haben wir uns oft gefragt. Manchmal kam er morgens bei Sonnenaufgang zusammen mit einem Reh oder Fuchs oder gefolgt von einem Hasen aus dem Feld. Ganz vertraut. Wir wetten, er hat es getan. Das mit dem Pudern. Und den Freundschaften.

Vielleicht waren auch diese oftmals der Grund dafür, dass Klaus regelmäßig verschwand. Einen Tag, zwei Tage, drei. Oder mehr. Spätestens ab Tag zwei waren wir voller Sorge. So viel kann einem Kater draußen passieren. Jedes Mal durchsuchten wir das ganze Land. Jeden Bunker, jede Ruine. Immer erfolglos. Irgendwann entstand die beruhigende Theorie, dass es noch uns unbekannte Bunker irgendwo in unseren Waldstücken geben muss. In denen der Herr Klaus nächtelang mit einer coolen Waschbärgang herumzockte. Um dann übermüdet und hungrig einfach irgendwann wieder im Menschenhaus aufzuschlagen und schnurrend ins Bett zu plumpsen. Wir jedes Mal überglücklich, ihn unversehrt wieder zu sehen.

Manchmal schlief er dann tagelang. Oder folgte Gewohnheiten. Immer pünktlich bei Sonnenaufgang nach Hause kommen und wie ein Waschbär am Fliegengitter des Küchenfensters hängen. Das ersparte ihm die Benutzung einer der Katzenklappen. Meist ging Klaus jedoch morgens ganz selbstverständlich nach einer Nacht im Bett mit zur Arbeit bei den Kleintieren. Kaninchen besuchen. Überall beim Rechten schauen. Danach mit den Hunden spazieren. Den Gästen auf dem Tisch herumtanzen und eine Sonntagsführung begleiten. Und dann abends noch mit auf eine Party. An manchen Tagen war es so, dass Klaus überall war. Gleichzeitig. Als ob es ihn mehrfach geben würde. Klaus, Klausi, Klausmann…

Heute wissen wir, dass es immer nur einer war. Zehn Jahre Angst, dass ihm etwas zustößt. Er mal den Falschen anpudert. In einem der Teiche ertrinkt. Er auf dem Feld erschossen wird. Sich verläuft und nie wiederkommt. Es gab unzählige Möglichkeiten, was alles hätte passieren können. Oft haben wir uns gefragt, wie viele Leben so ein Kater haben kann. Als wir ihn mit hohem Fieber wegen einer Fußverletzung fanden, er in den gefrorenen Ententeich eingebrochen war, er mit einem Riss im Bauch nach Hause kam, sich verlief und wir ihn nach einer Woche kilometerweit weg abholen konnten – usw.. Ein abenteuerlustiger Langzeitstudent ist eben unaufhaltbar.

Jetzt kam alles anders. Und wir waren machtloser als je zuvor. Was mit einer ausgekotzten Ratte anfing, mit einer schlimmen Magen-Darm-Infektion und unzähligen Tierarztbesuchen weiterging, endete mit einem Herzstillstand während einer annähernd chancenlosen Notoperation in der Tierklinik.

Niemand ist für immer. Aber jemand wie er bleibt für immer – in unseren Gedanken.

Adieu, Kater Klaus.

Helga

Endlich leben. Und die eigenen Kinder aufwachsen sehen.

Das konnte Mama Helga im Land der Tiere. Vor ihrer Rettung wurden sie und ihre Familie einzeln in engen Buchten in einem dunklen, verdreckten Taubenschlag gehalten. Die Buchten so klein, dass die Kaninchen sich nicht einmal aufrichten konnten. Doch dann kam ihr Halter, ein „Kleintierzüchter“, nicht mehr aus dem Krankenhaus zurück. Liebe Menschen sahen das Leid der Kaninchen und sorgten dafür, dass die „Schlachtkaninchenzucht“ ein Ende hat – und die zwölf Kaninchen zogen im Sommer 2021 ins Land der Tiere.

Für Helga und ihre Familie hat sich damit alles verändert. Zum ersten Mal Platz haben, zum ersten Mal Gras spüren, zum ersten Mal als Familie leben. Denn vor ihrer Rettung wurde Helga als „Zuchthäsin“ ausgebeutet. Sie bekam so oft Babys, wie ihr „Besitzer“ es wollte. Ihre Kinder wurden ihr weggenommen, um dann gemästet und geschlachtet oder weiter verkauft zu werden. Wie oft sie diesen Kreislauf mitmachen musste, wissen wir nicht.

Als die Familie an dem grauenhaften Ort, an dem sie vorher lebten, gefunden wurde, hatten die letzten vier Babys von Helga gerade mal das Nest verlassen. Fiffi, Stuart, Leo und Ole waren winzig, als sie gerettet wurden. Im Land der Tiere konnte Helga ihre Kinder zum ersten Mal großziehen. Sie war eine ganz wunderbare, aufmerksame und liebevolle Mama, unfassbar geduldig und entspannt mit dem quirligen Nachwuchs. Auch mit ihren älteren Kindern, die früh von ihr getrennt wurden, verstand Helga sich gut, als sie sich wiedertrafen.

Jetzt konnte sie endlich mit der Familie sein, aber auch endlich Platz haben. Mit Grün, wohin das Auge reicht, Buddelmöglichkeiten ohne Ende und genug Fläche zum ordentlich hoppeln. Helga hat ihr neues Zuhause genutzt, war gerne unterwegs und kannte die besten Stellen, um in Ruhe zu dösen. Und zwischen all den Aktivitäten, denen sie nun nachgehen konnte, war es ihr trotzdem wichtig, immer mal wieder mit den Kindern zu kuscheln und ihre Nähe zu suchen.

Und Helga suchte nicht nur die Nähe ihrer Kinder. Ungewöhnlich für Kaninchen, und wir kamen nicht umhin, jedes Mal von einer „Ausnahme“ zu sprechen, forderte sie auch Streicheleinheiten von Menschen ein. In Helgas Fall heißt das: Sie kommt direkt auf den möglichen kraulwilligen Menschen zugehoppelt und platziert sich neben ihm – eine äußerst charmante Kraulaufforderung, zu der vermutlich niemand je Nein sagen konnte.

Doch Helgas Körper holte sie irgendwann ein. Auf „Masse“ gezüchtet und größer, als für Kaninchen gut ist, hat er ihr schon länger die typischen Probleme großer Kaninchenrassen bereitet. Helga hatte Rückenprobleme, konnte irgendwann ihre Hinterbeine nicht mehr so benutzen, wie es sein sollte, ließ sich davon aber erst mal kaum beeindrucken. Machte mit täglichen Schmerzmittelgaben weiter ihr Ding, traf sich zum Kuscheln mit ihren Kids und war draußen unterwegs, wenn auch nicht mehr im kompletten Gehege. Auch als ihr Bewegungsradius sich zunehmend einschränkte, gab Helga nicht auf. Bis zu dem Tag, als sie die Kontrolle über ihre Hinterbeine gänzlich verlor – und ihr Lebensmut Verzweiflung wich. Am Ende konnten wir nicht mehr für sie tun, als sie einschläfern zu lassen.

Adieu, Mama Helga.

Whitney und Waltraud

Etwas über ein halbes Jahr selbstbestimmt leben.

So viel Zeit blieb ihnen. Whitney und Waltraud Wurm, zwei völlig unterschiedliche Persönlichkeiten, beide mit dem gleichen Ziel: leben. Das konnten sie so richtig erst nach ihrer Rettung. Im Oktober 2024 holten wir nach einem Todesfall zwölf Hühner aus einer Privathaltung ab: Familie Wurm. Die Hühner wurden als „Eierproduzentinnen“ gehalten, auf wenigen Quadratmetern, ohne Auslauf im Grünen und scheinbar auch ohne medizinische Betreuung.

Denn die Hühner kamen in katastrophalem Zustand an. Sie waren voller Würmer und anderer Parasiten, sehr dünn, hatten sich bereits gegenseitig bepickt. Whitney und Waltraud waren zwei von ihnen, und wie die anderen gezeichnet von dem Ort, wo sie vorher lebten. Beide brachten Baustellen mit. Und doch: beide kämpften.

Whitney, die kleinste der Familie Wurm, hatte ordentlich Pfeffer unterm Hintern. Dass sie im Hühnergehege nicht viel zu sagen hatte, juckte sie nicht weiter, Whitney ließ sich nichts bieten. Warum auch? Sie war eh die schnellste von den Hühnern, ihr konnte in der Hinsicht niemand was. Und wenn es ihr doch mal zu bunt wurde, ärgerte sie die anderen eben zurück. Whitneys Zustand war durch die schlechte Haltung nicht gut, aber lange Zeit wuselte sie sich so durch. Bis sie am Ende innerhalb weniger Tage stark abbaute und zuhause verstorben ist.

Dass die ruhige, eher in sich gekehrte Waltraud solange leben würde, hätten wir anfangs nicht gedacht. Sie hatte gleich nach ihrer Ankunft eine OP am Kropf, weil dieser sich selbstständig so gut wie nicht entleeren konnte. Auch nach der OP benötigte sie Hilfe, bekam Massagen von uns, wurde regelmäßig behandelt. Ihr Zustand schwankte stark, Waltraud hatte richtig gute Tage, und richtig schlechte. Zweimal ging es ihr so schlecht, dass wir den Tierarzttermin zum Einschläfern schon vorgesehen hatten – nur um Waltraud am nächsten Tag als erste nach draußen flitzen zu sehen, mit der klaren Ansage, dass sie noch weiterleben will.

Bis zum letzten Mal. Waltraud ging es wieder sehr schlecht, aber ihr Zustand verbesserte sich nicht mehr. Dieses Mal war der Zeitpunkt gekommen und wir konnten nichts mehr für sie tun, außer sie in der Tierarztpraxis einschläfern zu lassen.

Adieu, Whitney und Waltraud.

Piggidy

Mit Piggidy fing alles an. Na ja, nicht „Alles“ – aber mit der Rettung von ihr und ihrem Freund Eberick zogen im Jahr 2021 die ersten Meerschweinchen ins Land der Tiere ein. Sie und ihrem Freund haben im Lauf der Jahre und heute viele andere Meerschweinchen zu verdanken, dass Piggidy & Eberick sozusagen die Meerschweinchenzuflucht „erfanden“ und eröffneten.

Denn die beiden blieben natürlich nicht alleine. Und das war sehr gut so, aus vielen Gründen. Als sie einzogen, waren sie extrem ängstlich und hatten keinerlei Vertrauen in uns. Zu Recht, denn tatsächlich hatten Menschen nach dem Tod ihres Besitzers ernsthaft in Erwägung gezogen, die beiden Meerschweinchen des verstorbenen Nachbarn zu schlachten. Zum Glück hatte ein Mensch eine bessere Idee für die beiden und bat uns um Hilfe.

Die erste Zeit waren Piggidy und Eberick fast unsichtbar und verschanzten sich nur in ihren Verstecken. Wir eröffneten ihnen – in der Hoffnung, sie bewegen sich dann mal ein bisschen – sogar eine an ihr Zimmer angrenzende Außenvoliere. Piggidy und ihr Kumpel dachten nicht daran, nach draußen zu gehen. Bewegung in ihr Leben kam dann mit dem Einzug weitere Meerschweinchen.

Plötzlich gab es „Familienleben“ und „Aktion“, wo vorher mehr Langweile und Unsicherheit war. Und irgendwie lernten sie von den anderen, keine Angst zu haben. Wurden richtig „coole Schweine“, die viel kommunizierten und neue Freundschaften schlossen. Auch mit uns fanden sie ihren Frieden. Die Angst war irgendwann einfach weg. Sie genossen einfach ihre Leben.

Piggidy war für alle anderen Meerschweinchen die perfekte Freundin. Egal ob für die ganz jungen, deren Quatschmachereien sie lässig hinnahm – wenn Meerschweinchen schmunzeln können, dann wusste sie, wie das geht. Besonders verbunden war sie allen anderen älteren Meerschweinchen der Gruppe, mit denen sie enge Freundschaften schloss. Zum Glück, denn als irgendwann ihr Freund Eberick starb drohte ihr so nicht, was so vielen anderen Meerschweinchen widerfährt: ein Leben in Einsamkeit.

Mit acht Jahren war Piggidy dann irgendwann die Älteste. Und blieb nicht verschont von Altersproblemen. Herzprobleme. Tumore. Hätte man uns vor Monaten gefragt, wir hätten behauptet, dass es gar nicht möglich sein kann, dass sie irgendwann die letzte Überlebende der „Altentruppe“ der Meerschweinchengruppe sein würde. Nicht mit diesen körperlichen Problemen. Piggidy – Entschuldigung – schiss drauf. Und machte ihr Ding.

Mitzuerleben, wie ihre alten Freundinnen und ihr alter Freund Ecki tatsächlich vor ihr starben, hat ihren körperlichen Zustand unweigerlich verschlechtert. Das Herz machte wieder mehr Probleme. So, dass sie in ihren letzten Tagen das Essen sicherheitshalber ans Bett gebracht bekam für den Fall, dass sie nicht die Energie findet, zusammen mit den anderen essen zu gehen. Ein paar jüngere Freundinnen und Freunde waren dann natürlich auch immer mit dabei und leisteten ihr Gesellschaft.

So wie bei ihrem letzten Abendessen, bei dem Piggidy genüsslich frisches grünes Gras und Paprika aß und einen sehr entspannten, zufriedenen Eindruck machte. Sie hat sich dann in einem ihrer Lieblingshäuser ins Bett gelegt – und ist friedlich eingeschlafen.

Adieu, Piggidy.

Ecki

Ecki hieß manchmal auch nicht Ecki, sondern „Der Hirsch“. Denn das war seine Selbstwahrnehmung: beindruckende Größe, Chef der Meerschweinchengruppe, unangefochten, selbstverständlich. Dafür bekam Ecki, in Wahrheit ein eher kleiner Mann und auch nicht mehr taufrisch, regelmäßig auch mal einen Rüffel. Auch von seinen Mädels, also denen, die sein Verhalten nicht einfach gnädig ignorierten und ihren Ecki Ecki sein ließen. Bzw. „den Hirsch“.

Ecki kam im Februar 2023 als Abgabeschweinchen mit seiner alten Freundin ins Land der Tiere und hätte sich bestimmt eine nette Begrüßung gewünscht als eine mit Milbenbehandlung, Fußpflege, Augen-, Lippengrind- und Ohrenentzündungsbehandlung. Aber was sein muss, muss sein. Nach der „Sanierung“ konnten er und seine Freund zu den anderen ins Meerschweinchenzimmer umziehen, um einfach ein angemessenes Leben zu genießen. Eins, wo ein kleiner Meerschweichenmann auch den röhrenden Hirsch raushängen lassen kann.

Im Verhältnis zu seinen gesundheitlichen Problemen stand sein Verhalten auch irgendwie nicht. Aber Ecki ließ sich nicht beirren. Nicht einmal, als die Zeiten kamen, wo wir täglich für ihn eher unwürdige Dinge tun mussten wie seinen Penis putzen und pudern, weil er die Reinigungsaufgabe selbst nicht schaffte. Ecki ertrug das, nahm es als Dienstleistung. War es ja auch.

Unser Dienstleistungslevel stiegt mit der Zeit seiner Anwesenheit, denn irgendwas hat ein altes Meerschweinchen ja immer. Und immer mehr. Bei seiner Alterserblindung konnten wir ihm nicht helfen, das schaffte er selbst. Bzw. seine alten Freundinnen, die ihn als Hirsch genau so schätzen wie als alten Ecki, dessen Lebenszeit vorbeiging.

Ecki starb nicht unerwartet nachts im Alter von acht Jahren an der Seite der gleichaltrigen Piggidy. Als wir ihn morgens fanden, lag Piggidy eng an ihn gekuschelt, so wie es so lange Zeit immer war.

Adieu, Ecki.

Frieda

Nie wieder einsam.

Dass war der Grund, warum Frieda im März 2023 ins Land der Tiere zog. Vorher lebte sie in Käfighaltung in einer Wohnung. Als ihr Kumpel starb, kam ein neuer. Und dann war Frieda wieder alleine. Schließlich wollte ihre Halterin, dass Frieda nie wieder einsam sein muss und endlich richtig viel Platz zum Leben bekommt. Den hatte sie im Land der Tiere. Und alleine war sie auch nie wieder.

In die große Meerschweinchen-Gruppe fügte Frieda sich schnell ein, sie knüpfte Kontakte und schloss Freundschaften, vor allem in der „Senior*innengruppe“. Mit ihrer gutmütigen und sanften Art war Frieda die Sorte Freundin, auf die man sich verlassen konnte. Das haben die anderen auch gemerkt.

Überhaupt war sie so eine Person, die immer da ist, aber auf ihre ganz eigene, unaufdringliche Weise. Ob Menschen vorbeikommen und Frühstück bringen oder einen leckeren Kürbis im Schlepptau haben – Frieda kam an, wollte immer wissen, was gerade los ist und als nächstes passiert.

Den Platz, den sie durch ihren Einzug zur Verfügung hatte, hat sie auch ausgenutzt. Auch wenn sie natürlich ihre „Stammlokale“, also Häuschen, die sie besonders gern aufsuchte, hatte. Rumwuseln, gemütliche Nickerchenorte oder passende Verstecke finden, all sowas gehörte natürlich auch zu Friedas Programm.

Als ihr Zustand über die Zeit schlechter wurde, schränkte sie auch ihren Radius ein. Ihre Neugier blieb. Frieda beobachtete das Geschehen im Meerschweinchen-Zimmer immer noch ausführlich, als ihre Tumore wuchsen. Doch wir konnten nichts mehr für sie machen. Außer ihr eine möglichst gute Zeit zu bereiten, mit leckerem Essen, guter Gesellschaft, Ruhe. Frieda starb in ihrem Zuhause.

Adieu, Frieda.

Walter

Walter war der letzte Überlebende einer Hamburger Kita-Kaninchenhaltung. Als das vorletzte Kaninchen dort eingeschläfert werden musste, war Walter alleine und die Fortführung der Haltung kam nicht in Frage. Für einen älteren Deutschen Riesen einen Lebensplatz finden? Fast unmöglich. Doch Walter hatte riesiges Glück, im Land der Tiere brauchte die damals alleinstehende Kaninchendame Norma dringend Gesellschaft. Und so zog er ein.

Norma und Walter verstanden sich prächtig. Die stürmische, aufgeweckte Norma, der gemütliche, stoische Walter, sie hätten unterschiedlicher kaum sein können und passten irgendwie doch ganz wunderbar zusammen. Norma und Walter hatten eine gute Zeit miteinander, die leider viel zu kurz war. Normas Tod war ein herber Schlag für Walter. Das, was die beiden hatten, war etwas ganz besonderes. Doch alleine bleiben sollte Walter auch nicht

Die Vergesellschaftung mit anderen erwies sich als schwierig. Walter, der liebevolle alte Griesgram, hatte eben seinen eigenen Kopf, seine eigenen Pläne. Und wenn ihm jemand nicht passte, zeigte er das sehr deutlich. Selbst der stets allen wohl gesonnene Herr Lily hat eine bleibende Erinnerung von Walter an seiner Nase abbekommen.

Mit dem Mutter-Tochter-Paar Nia und Yanny hat es schließlich geklappt. Walter hat die beiden akzeptiert, es war eine funktionierende Zweck-WG. Wenn er wollte, schloss Walter sich den beiden an, oft genug machte er aber auch sein eigenes Ding. Wichtig war einfach, dass er die Option auf Gesellschaft hatte, wenn er sie brauchte.

Und überhaupt die Option darauf, machen zu können, was er wollte. Die hatte Walter im Land der Tiere, bis zuletzt. Auch wenn er immer tüddeliger wurde, körperlich abbaute. Walter blieb Walter, wie ein Fels in der Brandung.

Den Tag vor seinem Tod verbrachte er nochmal draußen, konnte in seinem Garten die Sonne auf dem Fell spüren, bekam das Essen an seinen Sonnenplatz serviert. Die Entscheidung, ihn einschläfern zu lassen, nahm Walter uns in der Nacht darauf ab. Walter wurde acht Jahre alt.

Adieu, Walter.

Diego

Über 14 Jahre verbrachte Diego in einem kleinen Garten in der Großstadt, auf engem Raum zwischen den Häusern zusammen mit einer anderen Ziege. Als diese starb und Diego tieftraurig und alleine war, kümmerten sich Menschen, die Diego kannten, um eine Lösung für ihn. Die Suche nach einem Ort, wo er in Ruhe seinen Lebensabend gemeinsam mit anderen Ziegen verbringen konnte, führte Diego ins Land der Tiere. Im September 2022 zog er ein und machte mit über 14 Jahren nochmal einen Neuanfang.

Die körperlichen Baustellen, die er mitbrachte, waren nicht nur seinem Alter geschuldet. Klauenpflege, angemessene Ernährung und Bewegung – all das fehlte die Jahre vorher. Diego ließ sich von den nötigen Behandlungen nicht aufhalten. Er entdeckte schnell seine neue Umgebung und fand seinen Platz in der Ziegenfamilie und seine Lieblingsorte im Gehege.

Dazu gehörte „sein“ Hügel: hoch oben auf dem Bunker und mit Ausblick fast über das gesamte Land der Tiere. Diego hatte von dort stets alles im Blick, konnte aufmerksam die vorbeiziehenden Schafe und Perlhühner, die anderen Ziegen, die mit ihm lebten, die Katzen, Hunde, Puten, Minischweine und die umherlaufenden Menschen beobachten. Diego nahm gerne diese Beobachter-Rolle ein: Immer wissen, was los ist, ohne im Mittelpunkt stehen zu wollen.

Mit seinen eindrucksvollen Hörnern war Diego natürlich trotzdem eine Erscheinung. Und er hatte ein Händchen dafür, sich bei Führungen durch sein Gehege genau die Menschen rauszupicken, die seine Schmuseaufforderung, die aus „mit den Hörnern am Hosenbein reiben“ bestand, verstanden und ihr gerne nachkamen. Mit seinen Menschen aus der Tierversorgung hatte er ohnehin ganz enge Bindungen. Ein schelmischer Blick von Diego reichte, ausgiebige Krauleinheiten waren ihm garantiert. Und er konnte sehr verkuschelt sein.

Mit den Abläufen war er auch bestens vertraut: Weil Diego langsamer als die anderen aß und sowieso alles eher eine Schippe entspannter nahm, wäre er bei den üblichen Essensrangeleien in seiner neuen Ziegenfamilie zu kurz gekommen. Während die anderen abgelenkt waren, wurde Diego in „seinen“ Extra-Stall gerufen – wohlwissend, dass er nun in Ruhe Heu und seine Lieblings-Leckereien naschen konnte, machte er gerne mit. Hin und wieder begleitet von Kater Klaus, der Diegos exklusiven Essensplatz für seine Mittagsschläfe zu schätzen wusste.

Über zwei Jahre verbrachte Diego im Land der Tiere. Konnte die Aussicht genießen und alles aufmerksam im Blick haben, sich Gesellschaft suchen, wenn ihm danach war, sich an vertrauten und noch unbekannten Hosenbeinen kratzen, einfach machen, wonach ihm der Sinn stand.

Irgendwann aber holte ihn sein Alter komplett ein. Patient war er ja seit dem Tag seiner Ankunft, und mehr als einmal stand es richtig schlecht um ihn. Vor seinen letzten Lebenstagen baute Diego weiter ab. Auch seine Lieblingskräuter und das zusätzliche Essen konnten nicht verhindern, dass er immer mehr abnahm, kaum noch mobil war. Und dann kam der Tag, wo er festlag. Das Essen einstellte. Anfangs konnte er noch mit Hilfe aufstehen, aber auch das schaffte und wollte er am Ende nicht mehr. Er blieb die ganze Zeit ruhig, ertrug es, lag, wie er sonst auf seinem „Berg“ gelegen hatte. Und wir hofften, er schafft es alleine und kann so selbstbestimmt und friedlich sterben, wie er lebte.

Aber dann blieb uns doch nur noch der letzte Anruf beim Tierarzt für ihn.

Adieu, Diego.