„Ich sehe dich
und mein Herz erblüht,
du musterst mich
und ich bin sehr bemüht,
dich nicht gleich in meine Arme zu schließen
und nie wieder loszulassen.
Deine liebste Begrüßung,
wenn du dich ganz doll
an mich drückst
in der Hoffnung,
dass ich dich kraul‘
und du dann ganz verzückt
die Augen schließen kannst,
und ohne Angst
den Moment genießen.
Mittlerweile kennen wir uns schon so gut
und ich bin auf der Hut
mich hinzusetzen,
denn dann suchst du dir gleich
auf meinem Schoß
ein bequemes Plätzchen.
Du hast so ein tolles Federkleid –
es ist so schön, so warm, so weich,
und ich bin dankbar,
dass du diese Wärme
an kalten Tagen mit mir teilst.
Nicht in Form
von ausgerupften Federn
oder desgleichen,
du wurdest nicht dafür gezüchtet,
auch wenn deine Federn sehr weich sind.
So bin ich einfach froh,
meine Hände unter deinen Flügeln
vergraben zu dürfen,
sie zu wärmen,
dich zu streicheln
und deinen Herzschlag zu spüren.
Ist dann das Nickerchen vorbei,
willst du picken und laufen,
scharren und essen,
danach wieder in der Sonne liegen
und die alten Zeiten vergessen.
An diese Zeit will ich gar nicht denken,
habe sie verdrängt und vergessen,
weil deine Augen nicht mehr davon erzählen,
sondern nur noch von Leben und schönem Erlebten.
Du kamst aus einer Tierfabrik
und ich finde es schrecklich,
dass es so Orte noch immer gibt.
Nicht viel Platz und enormer Stress,
Krankheiten und viel Dreck,
ein Überlebenstest.
Die zu Beginn
abgehackten Federn
haben mir erzählt,
wie das Leben dort vergeht,
nach einem halben Jahr
konntest du befruchtet werden,
um Eier zu legen,
aber dennoch nie Mutter werden.
Diese Befruchtung erfolgte alle 3 bis 6 Tage
und es stimmt wohl, wenn ich sage,
dass es nicht schön ist,
wenn so ein Mitarbeiter dich schnappt,
dich ganz fest packt
und dann Sperma in deine Kloake spritzt
und wenn du dann bald darauf in deinem Nest sitzt,
mit Mühe dein Ei gelegt,
frage ich mich,
wie schnell für dich die Zeit vergeht.
Wenn du dann irgendwann aufstehst
und es verlässt,
um zu trinken, zu essen
und du dann ganz entsetzt
miterleben musst,
wie eine Klappe zwischen dir
und deinem Ei herunterfällt
und mit etwas Glück
wurden diesmal nicht
deine Schwanzfedern eingeklemmt
oder eher abgehackt,
kannst nicht mehr zurück
und dein Ei
wird nun von einem Mitarbeiter
in eine Brutstation gebracht.
Dort wird nach dem Schlüpfen entschieden,
ist es männlich oder weiblich,
wird es max. 17 oder 22 Wochen leben?
Naja, ein wirkliches Leben
kann es zwischen Mastfutter,
trinken, schlafen und Stress
kaum geben.
Du dagegen
hast viel zu wenig zu essen bekommen,
denn bei zu viel Gewicht
hätte deine Eierproduktion abgenommen.
Und nach zwei Jahren
hast du ausgedient,
bist nicht mehr rentabel,
es ist egal, dass es hinter dir
als Produktionsmaschine
ein Lebewesen gibt.
So geht die schreckliche letzte Fahrt
zur Schlachterei
und ich will das nicht sagen,
aber endlich ist dieses schreckliche Leben vorbei.
Und du –
du hattest wirklich Glück,
denn nach einem unfassbar schrecklichen Leben
folgte nicht der erlösende
aber so qualvolle Tod,
sondern, ganz verrückt,
du kamst auf einen Lebenshof.
Das passiert den wenigsten,
doch alleine ist das Leben
zwar nicht mehr so stressig,
aber auch sehr doof,
so bekamst du eine Freundin,
die das gleiche Schicksal wie du erlebt.
Vielleicht seid ihr euch auch mal
in der riesigen Anlage begegnet,
aber erst jetzt konntet ihr euch
richtig kennenlernen,
zusammen Neues erleben,
quatschen, streiten und
soziale und normale Interaktionen lernen.
Ihr bekamt Namen
und wurdet so
von einzelnen kleinen Zahlen
zu Monique und Odette:
Lebewesen, Individuen,
die mal unfreundlich
und mal nett
zueinander sind.
Aber vor allem eins:
Botschafter, die erzählen von einst.
Denn auch
wenn nicht viel Äußerliches
von eurem Erlebten erzählt,
wollen wir, dass die Botschaft
weiter lebt
und sind froh,
dass euer Federkleid nachgewachsen
und eure Schwanzfedern wieder lang,
zum ersten Mal Himmel über dem Kopf
und auch mal Regen auf dem Gefieder,
dann und wann.
Einzig eure Schnäbel
sind gekappt
und ich bin froh,
dass die Nahrungsaufnahme
von dem gutem Essen wie Äpfel
trotzdem mit einigen Tricks klappt.
Eure Blicke, so unterschiedlich,
mit Neugier und Bedacht,
manchmal fragend,
was hast du uns mitgebracht
oder nimmst du uns mit spazieren,
zeigst du uns andere Tiere.
Wartet,
bis ich euch morgens raus
und abends wieder rein lass
und immer so
voller Liebe.
Ich will tun,
was ich für euch tun kann:
tagtäglich
eure Kacke weg sammeln,
nur damit ihr dann später
in einem sauberen Nest
Ruhe finden könnt,
in einer ganz tollen
und wunderbaren Welt.
Doch wir dürfen trotz allem
nicht die Tiere vergessen,
die tagtäglich leiden,
um später in einem Essen zu landen,
obwohl sie leben wollen
und wir können leider
nicht alle Tiere an diesen Ort holen.
Ihr beide kamt
aus einem Elterntierbetrieb
ins Land der Tiere:
Hier bekommt ihr Schutz,
ein sicheres Zuhause
und für den Rest eures
noch so langen Lebens
ganz viel Liebe.“
❤
Lotta.