Warum es oft gut ist zu zögern, wenn es darum geht, eine vermeintlich „hoffnungslose Patientin“ einzuschläfern.
Waltraud Wurm, auch „Die würgende Waltraud“ genannt, ist eine von Vielen, bei der wir gezögert haben, obwohl es eigentlich keine berechtigte Hoffnung gab.
Waltraud retteten wir im Oktober zusammen mit 12 anderen Hennen aus einer Privathaltung. Alle in sehr schlechtem Allgemeinzustand, extrem abgemagert, voller Parasiten. Waltraud hatte zusätzlich ein schlimmes Kropfproblem. Würgte unaufhaltsam, es ging ihr sichtlich schlecht. Zuerst dachten wir an eine „einfache Kropfverstopfung“. Waltraud musste in der Vogelpraxis operiert werden, weil eine manuelle Entleerung nicht funktionierte.
OP-Nachsorge, Medikamente, einige Tage „Einzelhaft“ und Breikost in ihrem Krankenlager. Eigentlich hätte sie noch länger einzeln drin sein sollen, aber wir ließen sie wieder zu ihren Freundinnen und raus. Weil sie trotz OP und Breikost wieder schlimm würgte. Die OP hatte also „nichts gebracht“…
Noch mehr Medikamente, manuelle Kropfentleerung funktionierte nur bedingt. Fast jeden Tag, wo sie dastand mit ihrem dicken Kropf, würgte, wir ihr nicht helfen konnten, planten wir ihren letzten Tierarzttermin.
Dann war es wirklich ernst. Ihr Tag war übel. Am nächsten Vormittag sollte unser Tierarzt sie hier einschläfern. Es wurde der Tag, an den Waltraud morgens als allererste aus dem Hühnerzimmer rannte, um sich draußen einen schönen Tag zu machen. Nicht würgte, sondern herumflitzte und –scharrte und gut gelaunt war. Natürlich ließen wir sie nicht einschläfern.
Seit dem Tag sind Wochen vergangen. Und jeden Tag flitzt sie morgens raus. Ihr Kropf ist plötzlich okay, nur selten müssen wir ein bisschen helfen. Warum? Weiß niemand. Was wir wissen: oft ist es sehr gut und lebensrettend, zu zögern bei der schwierigsten Entscheidung, die man treffen kann, weil manche der „Hoffnungslosen“ doch nicht hoffnungslos sind – es sei denn, wir geben zu früh auf.