Keine 4 Monate alt sollte Jolanda werden. Jetzt hat sie über 4 Jahre daraus gemacht.

Jolanda entdeckte vor vier Jahren jemand in einer Putenmastanlage. Die Masthalle war voller Putenhähne, dazwischen zwei viel kleinere weibliche Puten, versehentlich dort. Nach dem Schlüpfen „falsch gesext“, das kommt vor. Normalerweise werden weibliche und männliche Puten hierzulande getrennt geschlechtlich gemästet, wegen der unterschiedlichen Gewichtsentwicklungen und unterschiedlicher „Mastdauer“.

Überhaupt gibt es hier wenige weibliche „Mastputen“: weil sie längst nicht das „liefern“, nämlich kiloweise Brustfleisch pro Tier, werden bevorzugt Putenhähne gemästet. Die Putenhennen, für die es kaum einen Absatzmarkt gibt, werden meist als Küken exportiert – oder gleich nach dem Schlüpfen in den Brütereien getötet, weil ihre Mast unprofitabel ist.

Nach 16 Wochen ist eine Pute wie Jolanda „ausgemästet“ und wiegt dann knapp 11 Kilo, wenn sie im Schlachthof landet. Jolanda hätte wahrscheinlich so lange gar nicht überlebt. Nicht zwischen tausenden pubertierenden Hähnen, aggressiv durch ihre furchtbaren Lebensumstände in der Mastanlage.

Jolanda und die andere weibliche Pute wurden befreit. Wahrscheinlich hat es nicht mal jemand bemerkt. Außer Jolanda und ihre Freundin Jasmin, für die es das Leben bedeutete. Und uns, die wir seit dem Tag mit ihnen zusammen waren. Versuchten, die Leben dieser beiden noch so jungen und gleichzeitig so kranken Puten zu retten. Es dauerte lange, bis sie soweit gesund waren, raus zu können und eine echte Überlebenschance hatten.

Es wurde das perfekte Glück. Jahre des Pute-sein-Könnens. Jolanda wurde zusammen mit Jasmin erwachsen – und mit zwei fast gleichaltrigen Putenhähnen. Die vier waren so wundervoll miteinander, „Geschwister“ voller Energie. Und machten einfach das, was Andere ihnen versagen wollten: Leben. Viel Freude, viel Ernstes, viel Kommunikation, viel zu tun. Viel Zusammenhalt.

Der Abschied von den Jungs, die irgendwann starben, weil ihre Genetik und ihre schweren Körper sie umbrachten, war schwer für Jolanda und Jasmin. Ihr großer toller Freund Claudius, der für einen Puter ein enorm hohes Alter erreichte und dann irgendwann doch vor seinen Knochenproblemen kapitulieren musste. Sie waren bei ihm. Lagen neben ihm, als er nicht mehr aufstehen konnte. Und waren unfassbar traurig, als er nicht mehr da war.

Auch Jasmin und Jolanda merkten wir irgendwann ihr „biologisches Alter“ an. Als Jasmins Hüfte anfing, Probleme zu bereiten und sie dann noch einen Unfall hatte, dachten wir, Jolanda wird die letzte Überlebende der vier Befreiten. Und dann fing Jolanda an, zu humpeln. Der Fuß schwoll. Das Röntgenbild zeigte keine Fraktur.

Wir wussten, wie es weitergehen würde, auch wenn wir es an keinem Tag wahrhaben wollten. Es fängt mit einem Gelenk an. Dann das nächste. Dann die andere Seite wegen der Fehlbelastung. Dann die Hüfte. Dazwischen viel am Ende sinnlose Hoffnung, das Problem durch OPs und Medikamente lösen zu können.

Wir haben erst kapituliert, als Jolanda aufgab.

Adieu, Jolanda.

Schwein Pauline im Land der Tiere, einem Lebenshof für ehemalige "Nutztiere" in Mecklenburg-Vorpommern, idyllisch gelegen im Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe zwischen Hamburg und Berlin

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