Abschied von „Der grünen“ Frau Lehmann

Als die Lehmanns, sechs aus Käfighaltung gerettete „Legehennen“ im Land der Tiere ankamen, hätten wir nie zu hoffen gewagt, dass sie alle auch nur die nächsten Tage überstehen. So nackt und krank wie sie waren, manche hatten kaum noch die Kraft, den Kopf zu heben, standen die Chancen nicht gut, dass sie irgendwann nach einer Quarantänezeit alle zusammen würden draußen herumlaufen können.

Alle schafften es. Und sind losgelaufen, als es endlich nach draußen ging. Mit so viel Lust, dass diese ihre Angst vor allem, was sie nie kannten, besiegte. Einfach Huhn zu sein mit allem, was Hühner eben so tun, wie in Sand und Sonne baden, im Boden herumscharren, hier und da picken, mit den anderen diskutieren und um die Wette laufen, um als Erste an einem Apfel zu sein.

Fünf der sechs Lehmanns tun es auch heute noch. Drei von ihnen waren die ganze Zeit „Beobachtunsgkandidatinnen“ mit gesundheitlichen Problemen, was aber keine von ihnen von irgendetwas abgehalten hat. Wir hatten sie bei ihrem Einzug beringt, jede mit einer anderen Farbe, eine sogar doppelt bunt, eine gar nicht: weil nicht genug bunte Ringe zur Auswahl waren. So konnten wir immer auf den ersten Blick sehen, welche von ihnen ein Problem hatte, sie genau kontrollieren und beobachten. Die rote und die unberingte Frau Lehmann waren immer labil, aber stabil, die grüne Frau Lehmann auch nicht 100% fit. Wie auch nach solch einem Leben, solch einer Eierproduktion, mit dieser „Eiermaschinengenetik“, das Gegenteil hätte uns gewundert.

An dem Tag, an dem die grüne Frau Lehmann starb, war an ihrem Verhalten nichts auffällig. Einen Tag vorher hatten wir den Eindruck, die Farbe ihres Kammes sähe nicht gesund aus, er war dunkler als sonst, wie bei Herz-Kreislaufproblemen von Hühnern oft der Fall. Die Vermutung, dass ihr Körper ein Problem hatte, bestätigte sich an dem Nachmittag, der ihr letzter war.

Adieu, grüne Frau Lehmann.

Abschied von Amanda

Kein Huhn hat daran gezweifelt, dass Amanda die beste vorstellbare Hühnerchefin war.

Als Amanda 2021 im Land der Tiere ankam, war sie in einem katastrophalen Zustand – körperlich und psychisch. Vor ihrer Rettung hatte sie mit 1.500 weiteren Hühnern als „Elterntier“ in einem großen Bodenhaltungsbetrieb „gelebt“. Knapp 400 Eier hat Amanda dort gelegt. Eier, aus denen dann künstlich neue „Legehennen“ erbrütet wurden.

„Bodenhaltung“? Amanda war nie draußen. Hatte niemals Sonne auf den Federn. Keinen Platz zum Erkunden oder eine Möglichkeit zum Sandbaden, dafür Stress, dichtes Gedränge, Langeweile. Die Haltung hatte schlimme Spuren hinterlassen: Amanda und die anderen, die mit ihr zusammen gerettet werden konnten, hatten kaum noch Federn, hängende Kämme, diverse Krankheiten, Würmer und Darmpilz.

Amanda, die sich nach der langen Quarantäne anfangs kaum raus traute, blühte nach kurzer Zeit richtig auf: Gemeinsam mit ihren Freundinnen eroberte sie ihren neuen Garten. Erst Stück für Stück, bis sie schließlich so selbstverständlich umherlief, als wäre sie schon immer hier gewesen. Sie nahm sich, was sie wollte. Ein bisschen frech, ein bisschen forsch, mit beeindruckendem Selbstbewusstsein und ansteckender Neugierde und viel guter Laune. Irgendwann hätte man denken können, wir stehen vor dem falschen Huhn. Dieses große, fröhliche und bunt schillernde Huhn sollte die blasse, staubig-schwarze, traurige Amanda sein?

Amanda hat alles nachgeholt, was sie die ersten anderthalb Jahre verpasst hat und nichts ausgelassen. Umgeben von Freundinnen, immer gespannt darauf, was der Tag bringt. Scharren, Äpfelpicken, Diskussionen, die geführt werden müssen, Ausflüge in die hintersten Gehegeecken, Nickerchen, Sandbäder, Sonnenbäder. Bei den Führungen den Menschen, die zu Besuch in ihr Gehege kamen, einfach ganz selbstbewusst zwischen den Füßen umher wuseln – ganz egal, ob Bekannte oder noch nicht. „Lässt sich ja in Nullkommanix ändern.“ So Amandas Devise: „Hallo, hier bin ich. Und diese Schnürsenkel da, die müssen dringend in Ordnung gebracht werden.“ Mit diesem Charme war es ein Leichtes, Hühner und Menschen für sich zu gewinnen.

Amanda startete ihren letzten Tag wie jeden anderen, im Entdeckerinnen-Modus. Niemand wusste, dass dieses Sonnenbad das Letzte ihres Lebens sein würde. Sie starb völlig überraschend und ohne jede Vorankündigung. Wir fanden sie an einer ihrer liebsten Sandbadestellen.

Adieu, Amanda.

Abschied von Cosmo

Es war Cosmos letzter Ausflug.

Vor ein paar Tagen mussten wir uns endgültig der Tatsache stellen, dass Cosmo nie erwachsen werden würde. Cosmo war grade vier Monate alt. Ein Baby. Mit unfassbar massigen Körper, furchtbarer Fehlstellung der Beine aufgrund des Gewichtes. Und genau so viel unfassbarer Lust, zu Leben.

Cosmo wurde als „Masthähnchen“ gezüchtet, ausgestattet mit einem übergroßen Brustmuskel, der ihn nach unten zog, einem viel zu schweren Körper mit viel zu kurzen, weit auseinanderstehenden Beinen, die das Gewicht nicht tragen konnten. Schon als er und seine „Schwester“ Cosma im Sommer im Land der Tiere ankamen, war ihr Zustand dramatisch. Sie gingen einen Meter – und plumpsten hin. Eine Frage von kurzer Zeit, wann ihre Körper komplett kapitulieren würden.

Cosmo konnte seit einigen Tagen nicht mehr aufstehen. Es war genau das eingetreten, was schon bei seiner Ankunft absehbar war, was wir jeden Tag befürchteten, wo er bei uns war und wir bei ihm. Die einseitige Kapitulation der Hüfte machte ihn laufunfähig. Irreparabel.

Cosmo gab trotzdem nicht auf. Ertrug es. Aß und pickte im Liegen, ließ sich widerstandslos von uns in die Sonne tragen und hinter seiner „Schwester“ Cosma und dem großen Kumpel Puter Pü hinterher, wenn die beiden draußen unterwegs waren. Solange die beiden um ihn waren, war alles gut, zudem war er durch Medikamentengaben schmerzfrei – und nahm sich noch ein bisschen Glück mit. Wenn wir nicht zur Assistenz da waren, kuschelten Cosma und Pü zusammen mit Cosmo drin im Strohbett.

So wie am letzten Tag. Als Cosmo anfing, sehr unruhig zu werden, verzweifelt darüber, nicht mehr Herr über seinen Körper zu sein, legte sich der große Pü neben ihn, gab ihm körperlichen Halt. Aber auch das konnte Cosmo nur kurz beruhigen. Cosmo wollte eigene Entscheidungen treffen und realisieren, ein selbstbestimmtes Leben haben. Cosmo gab auf.

Die schwere Entscheidung, ihn einschläfern zu lassen, trafen am Ende nicht wir.

Adieu, Cosmo.

Abschied von der Kugelkatze

2017 trafen wir sie zum ersten Mal. In einem Straßengraben. Das war ihr Zuhause. Die kleine, alte Dame war in ständiger Lebensgefahr, aber die ersten unserer Begegnungen lehnte sie ab und lief fort. Irgendwann kam der Tag, an dem sie Vertrauen fasste. Aufgrund ihres Zustands dachten wir, dass sie wahrscheinlich nur noch ein paar Wochen zu leben hat. Deshalb brachten wir sie nicht ins zuständige Tierheim. Die Katze kam mit ins Land der Tiere – mit ständig gefüllten Näpfen, vielen Kuschel- und Spieleinheiten, einem Dach über dem Kopf und einer warmen Heizung.

Die betagte Dame war in einem desolaten Zustand, wirkte aufgebläht, ihre Hüfte und alles war irgendwie ein schief. Trotz allem kugelte sie sich sofort durch die Räume, so, als sei sie dort schon immer gewesen. Schnuppern und vorsichtig alles entdecken musste sie nicht. Ihr war sofort klar: das hier ist meins! Sie war gekommen, um zu bleiben. Die Menschen kannten schnell ihren Namen: die Kugelkatze.

Die Kugel wohnte seitdem in der Bufdi-WG. Sie sah viele Menschen ein- und nach einem Jahr wieder ausziehen. Immer schaute sie gespannt zu, wer als Nächstes kam und wie die Person wohl IHR Zuhause umgestalten würde. Nach Lust und Laune schlich sie von Tür zu Tür und blieb da, wo sie sein wollte. Nicht nur die WG wurde in Beschlag genommen, sondern auch die Wohnung nebenan oder das Büro. Jeder empfing die Kugel mit offenen Armen und machte entzückte Geräusche bei Blickkontakt. Kater Klaus versuchte auch so oft, ihre Freundschaft zu gewinnen. Diese blieb ihm jedoch verwehrt. Und die Hunde fanden die Kullerkugel ziemlich seltsam. Sie bellten sie aus, stürmten auf sie zu. Manchmal lief Kugel nicht weg, sondern setzte ihren stechenden Blick auf, den nur die Grumpy Cat so draufhatte, wie sie. Die Hunde nahmen den Blick sehr, sehr ernst und blieben schließlich stehen. War das Hypnose?

Menschenherzen eroberte die Kugel mindestens Tausende. Egal, ob dies jahrelange Freundschaften oder nur kurze Begegnungen waren: alle liebten sie – zu Recht. Kugel, die einfach ihr Ding machte, sich aber auch gerne vor die Füße warf, um sich ausgiebig den Bauch kraulen zu lassen.

Sie machte sich ihr Leben schön, verschlief schlechtes Wetter auf der Fensterbank, verschlief oft auch gutes Wetter auf der Fensterbank. Sie wählte trotz offener Wohnungen gerne die entschleunigte Variante. Kugels Spaziergangsradius war nicht groß. Doch vor ein paar Monaten schien es, als wüsste sie, dass sie los muss, wenn sie noch was erleben will. Plötzlich war die kleine Kugel überall anzutreffen. Sie lag bei den Schweinen auf der Lauer, trank bei den Ziegen aus dem Wassereimer oder inspizierte die Fortschritte sämtlicher Baustellen. Mensch dachte zeitweise schon, es gäbe sie mehrfach, weil sie überall gleichzeitig herumzukugeln schien.

Doch dabei blieb es nicht. Im Juli machten sich die Menschen große Sorgen. Kugel wurde dünner und schwach. Ihre Leberwerte waren jenseits von Allem. Diagnostisch fand man nichts – Altersschwäche. Kugel sollte über 20 Jahre alt sein. Von Tag zu Tag schwand sie mehr und mehr und konnte in den schlechtesten Zeiten nur drei Schritte gehen – aber Kugel ging sie und richtete sich auf, wenn sie wieder kippte. Medikamente und andere Behandlungen ertrug sie, um danach wieder bekuschelt zu werden.

An manchen Tagen dachten die Menschen, dass es ihr letzter wäre. Kugel verzog sich unter einen Strauch. Es fühlte sich wie Abschied an. Ihre Aufpasser*innen beobachteten sie unauffällig, damit ihr nichts passierte oder sie sich verlief, falls sie wieder aufwachen sollte. Niemand hätte es gedacht, aber Kugel erwachte nach Stunden, als sie die Pizza der Aufpasser*innen roch, wieder zum Leben und setzte sich zu ihnen. Von da an schien es bergauf zu gehen. Zwei weitere Monate gingen ins Land. Kugel konnte wieder laufen, nahm etwas zu, wollte wieder mehr erleben. Deshalb ging sie mit zur Tierpflege oder wurde in einem kleinen Mobil herumkutschiert. Beinahe hätte Kugel angefangen, daraus mit ihren kleinen Tatzen majestätisch zu winken.

Kugelkatze, die mit den grimmigsten Blicken, die mit den penetrantesten Bettelmauzen, die mit dem süßesten Kugelbauch, die mit dem beruhigendsten Schnurren, die mit dem riesigen Kampfgeist, ist heute nicht mehr da.

Abends lag sie in ihrer WG beim Filmabend auf ihren Menschen in der ersten Reihe, wählte sich zur Nacht ihr Menschenbett aus, schlief ein, stand morgens auf und frühstückte. Danach legte sie sich in ihr Lieblingskörbchen und kugelte sich ein. So fanden wir sie kurze Zeit später. Ganz friedlich lag sie da und verschlief das Wetter draußen – dieses Mal jedoch für immer.

Adieu, du allerbeste Kugel von der ganzen Welt!

Abschied von Frau Heinrich

Irgendwann muss Heinrich irgendwo weggelaufen sein. Von da an lebte Heinrich frei, hoppelte monatelang durch die Gärten, knabberte an Blumen und Gemüse. Manche fanden Heinrichs Anwesenheit und das Zusammenleben mit dem freien Riesenkaninchen nett. Andere nicht. Heinrich sollte weg. Weil Heinrich „Schäden anrichtete“, kamen sogar ein paar Menschen auf die Idee, dass Heinrich deshalb sterben sollte.

Heinrich hatte so viel Glück im Leben, Flucht, monatelang auf sich allein gestellt zu überleben, ohne von einem Fuchs getötet zu werden. Heinrichs Glück musste weitergehen an einem Ort, wo ein Kaninchen ein echtes Kaninchenleben führen kann. Und so wurde Heinrich eingefangen und zog im Mai 2019 ins Land der Tiere.

„Der Schlachthase“ war kein Er, wie sich beim Einzug herausstellte, sondern eine ältere Kaninchendame. Und sehr, sehr nett. Abgesehen davon, dass sie keine anderen starken Frauen neben sich duldete. Frau Heinrich zog in eine gemischte Kaninchengruppe ein und wurde Chefin. Geliebte Chefin so einiger Kaninchenherren.

Im Laufe der Jahre musste sie viele Abschiede verschmerzen. Am Ende fand sich immer wieder ein Herr, der sie tröste. Putzte. Bekuschelte. Auch als es vor langer Zeit schon anfing, dass es ihr körperlich nicht mehr richtig gut ging. Ihr großer Körper litt unter Rückenproblemen. Das hielt Frau Heinrich nicht davon ab, draußen herumzulaufen und ihr freies Leben zu genießen. Mit ihrem aktuellen Lieblingsherrn unter einem Baum zu liegen und sich bekuscheln und putzen zu lassen. Zuletzt tat es der winzige Zwerg Poppins. Ausgiebig.

Frau Henrichs Körper und ließ mehr und mehr nach. Wurde anfälliger. Zu allem dazu kam eine hartnäckige Ohrenentzündung. Als die auf einem guten Weg der Heilung war, ging es ihr trotzdem schlechter, sie baute ab. Am Ende blieb uns keine Chance mehr, die alte Frau Heinrich noch einmal zu retten.

Adieu, Frau Henrich.

Abschied von Eberick

Ihm haben jetzt schon viele Meerschweinchen zu verdanken, dass sie heute keine „Käfigtiere“, „Spielzeuge“, Einzeltiere und sonst wie traurigen Meerschweinchen sind.

Eberick und seine Freundin Piggidy machten nämlich vor zwei Jahren den Anfang: Sie waren die ersten Meerschweinchen, die ins Land der Tiere einzogen. Heute gibt es zwei Meerschweinchenzimmer mit zwei freilaufenden Meerschweinchengruppen. Eberick und seine Freundin strandeten als Notfall zusammen mit zwei Kaninchen hier: ihr Leben war in Gefahr, nachdem ihr ursprünglicher Halter verstorben war.

Die ersten Tage nach ihrer Befreiung aus dem Käfig, der ihr „Lebensraum“ war, sahen wir die beiden scheuen, älteren Schweinchen überhaupt nicht. Sie versteckten und verschanzten sich irgendwo. Ihre Angst vor uns wich erst, als weitere Meerschweinchen bei ihnen einzogen. Die Unternehmungslust und der Mut der anderen, viel jüngeren Meerschweinchen wirkten offenbar sehr ansteckend. Eberick war wie ausgewechselt. Und wurde sogar zum freundlichen „Big Boss“ der Meerschweinchengruppe, was ihm sichtlich gefiel. Und den anderen auch.

Eberick gewöhnte sich sogar an für ihn eher ungünstige Prozeduren wie „neue Frisur“, Fußpflege und mehr – eben was bei älteren Langhaarmeerschweinchen anfällt. Seine letzten Tage verbrachte Eberick als geduldiger Patient. Als er sich zurückzog und die Chefrolle einem Mitbewohner überließ, ahnten wir schon, dass wir ihm nicht mehr helfen können würden und es Zeit für unseren Abschied war.

Adieu, Eberick.

Abschied von Frau Holle

Ihr Tag hatte ganz normal angefangen. Frühstücken, gemeinschaftliches Treffen am Wassereimer, Spazierengehen, mit den anderen Gänsen herumschnattern, eine Runde im Teich schwimmen – alles, was Gänse eben tun. Frau Holles Tag war ganz normal wie jeder andere und sie selbst völlig unauffällig wie immer. Überhaupt war Frau Holle „unauffällig“, niemals verstänkert mit den anderen und eine eher ruhige Gans.

Mittags war immer noch alles wie immer. Alle Gänse lagen friedlich im Grün neben dem Teich, die Köpfe eingekuschelt unter einem Flügel und machten ihr Mittagsschläfchen in der Sonne. Es ist die friedlichste Zeit bei den Gänsen, wo sich nicht einmal der wachsame Chef-Ganter Toni rührt, wenn Menschen in seiner Nähe sind, sondern einfach ruhig weiterschläft.

Dass nur zwei Stunden später bei den Gänsen alles anders sein würde, wussten wir noch nicht, als wir sie ihrer Siesta überließen. Es war Frau Holles letzte Siesta. Wir fanden sie, als wir die Gänse abends ins Bett bringen wollten. Alle kamen schnell angelaufen, wie jeden Abend. Frau Holle fehlte. Sie war einfach gestorben, ohne Vorankündigung. Still und unauffällig, wie sie immer war.

Adieu, Frau Holle.

Abschied von Zwiesel

Zwiesel war nicht unschuldig daran, dass es heute und wahrscheinlich für immer im Land der Tiere eine größere Meerschweinchengruppe gibt. „Wo zwei sind, können auch vier leben“, dachten wir, als wir zufällig in den Ebay-Kleinanzeigen über zwei Meerschweinchen fielen. Zwei, die in ihrem Leben bis dahin nichts hatten als den Käfig um sie herum – und deren Zukunftsaussichten beim Verkauf für 7,50 Euro wahrscheinlich nicht besser waren. Wir boten eine kostenfreie Aufnahme der Meerschweinchen an und machten damit nicht nur diese Beiden glücklich.

„Da ist ja auch noch dieses alte Meerschweinchen, das immer einzeln im Käfig ist, weil es unverträglich ist. Kann das auch mit?“

Natürlich! So zogen Zwiesel und Wiesel, Mutter und Tochter, und „Das alte Kartöffelchen“, welches überhaupt nicht unverträglich ist, im März 2022 ins Land der Tiere ein. Und waren dabei, als noch mehr Meerschweinchen dazu kamen. Meerschweinchen, denen es vorher auch nicht besser erging als Zwiesel, die schlecht versorgt in kleinen Käfigen hockten. Im Land der Tiere wurde für Zwiesel alles anders. Nicht nur käfigfrei, sondern mit viel Platz zum Verstecken, Herumflitzen, Essen suchen – und in netter Gesellschaft, ganz harmonisch zusammen in einem Zimmer mit den anderen Meerschweinchen. Eine der Aktivsten in der Meerschweinchengruppe: Zwiesel.

Als sie jetzt plötzlich nicht wie gewohnt sofort losflitzte bei einer leckeren Gemüselieferung, sondern sich versteckte, war klar: sie hat irgendein Problem. Bei ihrer Untersuchung fanden wir eine winzige Verletzung, die unter Behandlung schnell gut abheilte. Da es Zwiesel trotzdem leider schlechter statt besser ging, schlossen wir die Verletzung als Ursache für ihre Erkrankung aus. Zeit für weitere Diagnostik blieb uns leider keine mehr. Die Hoffnung, herauszufinden, worunter sie leidet, ob es eine Chance gibt, ihr zu helfen, diese Hoffnung starb mit ihr in der Nacht.

Adieu, Zwiesel.

Abschied von Mat

Als Mat im Mai 2019 ins Land der Tiere einzog, war sie ein blasser, kranker, ängstlicher Vogel und ihr Gesamtzustand einfach furchtbar. Anderthalb Jahre hatte sie in einem „Elterntierbetrieb“ gelebt, ein Leben, was sie ans Ende ihrer Kräfte gebracht hatte, unter permanentem Stress durch die vielen anderen Hühner, eingesperrt ohne Auslauf, krank durch die Haltung, krank durch die Eigenschaft, die ihr gewollt angezüchtet wurde: maximale „Legeleistung“. Nach fast 400 gelegten Eiern war Mat für die weitere „Bruteierproduktion“ wertlos und normalerweise wäre sie durch Schlachtung entsorgt worden.

Mats Zustand war lange kritisch. Nach irgendeiner von vielen medikamentösen Behandlungen wurde aus dem blassen, weißen Huhn eine bunt gesprenkelte Henne, die fröhlich draußen herumlief. Was blieb waren ihre Phasen, die Phasen, wo es ihr nicht so gut ging und sie unfit war. Sie gingen immer vorüber, mal ohne, mal mit tierärztlicher Behandlung. Mat überlebte so tatsächlich die fünf anderen Hennen, die zusammen mit ihr eingezogen waren. Schloss neue Freundschaften mit anderen Hühnern.

So oft dachten wir im Lauf der über vier Jahre, die sie bei uns war, „dieses Mal schafft sie es nicht“ und lagen zum Glück immer falsch damit. Mat schaffte es sogar auf den Posten der „dienstältesten Bewohnerin“ unter den Hühnern.

Vor einigen Tagen ging es dann wieder los. Mat war müde. Doch irgendetwas war anders als in den schlechten Phasen zuvor. Als sie abends zusammen mit den anderen Hühnern in ihr Bett ging, ahnten wir trotzdem nicht, dass es ihre letzte Nacht sein würde.

Adieu, Mat.

Abschied von Viola

Die Chance, dass sie es schafft, war gering. Es war kein Grund, jede Hoffnung aufzugeben.

Sie war eine der Geretteten vom Deich. Eine der fast verhungerten, kranken Schafe, die wir vor einigen Wochen von dem Gehöft holten, wo sie geschächtet werden sollten. Von Anfang an war sie eines der großen Sorgenschafe in der Gruppe von acht Schafen, eine derjenigen, deren Körper die meisten Schäden der jahrelangen Belastung durch Krankheiten, Parasitenbefall, Mangelversorgung, Ausbeutung und Missachtung davongetragen hatte. Die Chance, ihren körperlichen Zustand noch einmal umzudrehen, war gering.

Kein Grund aufzugeben, auch wenn es nur 10 oder vielleicht nur 1 % Hoffnung gab. Auch nicht, als sie dann „festlag“. Der Ort, der ihr Zuhause und Chance auf ein neues Leben sein sollte, wurde zum Hospizplatz. Alle Medikamente, Nahrung, Physiotherapie, Zeit und Zuwendung konnten ihr Leben nicht mehr retten.

Wir hätten ihr so sehr „ein gutes Leben danach“ gewünscht, eins, wo Schafe keine „Nutztiere“ sind, sondern einfach für sich selbst leben, für ihre Freundschaften, für alles, was ihre Wünsche gewesen wären.

Adieu, Viola.