Abschied von Elliot & Eva

Elliot & Eva lernten sich im Herbst 2020 kennen, als Eva als Fund-Ente ins Land der Tiere einflog. Elliot, die wir als Küken retten konnten, war zu der Zeit grade ein Jahr alt und lebte zusammen mit ihrem alten Vater bei uns. Evas Landung kam wie gerufen. Sie und Elliot wurden schnell allerbeste Freundinnen, irgendwie… „Eins“. Zwei Gute-Laune-Enten, die „zusammenklebten“, tags, nachts, zu Lande und zu Wasser, beim Grasen, Watscheln, Schnattern, Baden, Putzen, Schlafen – immer. Mit ihrem so unglaublichen Lächeln im Gesicht.

Für zwei wie sie hätte es vielleicht gar nicht anders sein können als am selben Tag zu sterben. Eva überlebte Elliot nur ein paar Stunden. Elliot starb auf dem Weg zur Vogeltierarztpaxis. Der pathologische Befund: Nierenversagen, ohne infektiöse Ursache. Eva Knochen zeigten beim Röntgen den gleich schlechten Zustand wie Elliots. Es ging ihr so schlecht – und es bestand keine Hoffnung darauf, dass sie auch nur eine kleine gute Zeit haben könnte. Wir konnten nichts mehr für sie tun.

Adieu, Elliot & Eva.

Abschied von Luise

Ob Schafe wie die meisten Menschen davon träumen? Von einem zufriedenen und langen Leben, ohne im Alter bedeutsam krank oder nicht mehr mobil und nicht mehr selbstbestimmt zu sein? Und als altes Wesen einfach einzuschlafen und nicht mehr wach zu werden, wenn es an der Zeit ist?

Bei den vielen Patientinnen, vielen sehr alten Tieren, die an einem Ort wie im Land der Tiere leben, gibt es immer welche, wo wir täglich damit rechnen müssen, dass die Zeit zum Abschiednehmen gekommen ist. Bei Luise waren wir nicht vorbereitet. Trotz ihres Alters. Vielleicht auch weil ihre beiden Schwestern, Emma und Marie, schon so lange zu den Patientinnen gehören, die mit Altersproblemen belastet sind. Ihr Bruder Ferdinand, ebenfalls über Jahre Dauerpatient, vor einiger Zeit starb. Und Luise ganz im Gegensatz zu ihren Geschwistern – auch mit ihren fast 13 Jahren – immer die war und blieb, der es am besten ging. Vielleicht konnte sie auch einfach all die Zeit besser mit altersbedingten Problemen umgehen, weil sie immer die Unbeschwerteste der vier Geschwister war. Sicherlich war da mehr als Arthrose im Knie – aber Luise hat es vorgezogen, es für sich zu behalten und bis zum Schluss ganz selbstverständlich und fröhlich mit den anderen herumzuziehen.

Luise starb, während sie schlief. An dem Ort, wo sie fünfeinhalb Jahre sicher leben konnte, im Kreis ihrer Schaffamilie.

Adieu, Luise.

Abschied von Herr Boris Wiesengrün

Wenn einer erklären konnte, warum es nicht okay ist, Hühner zu essen, dann er.
Fast zwei Jahre lang hat er gekuschelt, gefragt, geliebt, connected. Seine Geschichte erzählt.

Als wir Herr Boris Wiesengrün im Februar 2020 kennenlernten, war er ein winziges Küken. Ein zufällig Ausgewählter aus einer piepsenden Masse Tausender kleiner Vögel,befreit zusammen mit fünf weiteren Küken aus einer Hühnermastanlage. Sechs Küken, die gezüchtet wurden, um kein Leben zu haben. Sechs kleine, hilflose Vögel, die eigentlich unter den schützenden Flügel der Mutter gehört hätten. Unsicher und suchend piepsend, suchend nach Mama, Wärme, Sicherheit. Mit ihrem Einzug ins Land der Tiere wurden wir „Ersatzmamas“, die mit Küken kuschelten.

Sie genossen es, auf und neben uns zu sitzen. Kuscheln, dösen, angeflitzt kommen, wenn die „Ersatzmamas“ in Sicht waren. Als Masthühner wären sie nach 29-42 Tagen Existenz geschlachtet worden – also noch als Babys. Masthühner wiegen dann bereits bis zu zweieinhalb Kilo, falls sie die Mast und ihr immenses Wachstum überhaupt überlebt haben. Auch die Wiesengrüns wuchsen immens. Klar war, dass sie sicherlich in ihrem Leben Probleme bekommen würden aufgrund ihrer auf Turbowachstum gezüchteten Körper. Während sie wuchsen, hörten sie nicht auf es zu genießen, auf ihren „Ersatzmamas“ herumzusitzen. Gestreichelt zu werden.

An dem Tag, wo wir sie retten und sie ins Land der Tiere einziehen, an jedem Tag, an dem wir sie streicheln, steht fest, dass irgendwann der Tag kommt, an dem wir sie beerdigen müssen. Wann? Ob nach viel Zeit, fortschreitendem Alterungsprozess, oder nach langer oder plötzlicher Krankheit – oder einfach „aus heiterem Himmel“, ohne jede Vorwarnung. So wie bei Herr Boris Wiesengrün. Er lief los in freudiger Erwartung eines Apfels zum Mittagessen, wie jeden Tag. Fiel einfach um, starb innerhalb von Sekunden. Letzte, gestreichelte Sekunden.

Plötzliche Todesfälle sind bei den auf maximale „Fleischmasse“ gezüchteten Hühnern und Hähnen keine Seltenheit. Akutes Herz-Kreislaufversagen, geplatzte Arterien, Luftsäcke und Organe und viele andere tödliche Probleme sind „Normalität“ bei diesen Tieren. An der Tagesordnung in den Mastanlagen, obwohl die Hühner dort noch Küken sind. Boris und die anderen Wiesengrüns konnten dieser „Normalität“ entkommen – und tatsächlich hätten wir nie zu hoffen gewagt, dass es ihnen so lange so gut geht. Dass ausgerechnet Herr Boris Wiesengrün, der Sanfte mit dem augenscheinlich „lebenstauglichstem Körperbau“, nun der Erste ist, dessen Leben nach einer wundervollen Zeit vorbei ist, war unvorhersehbar. Es ist gut, nicht zu wissen, wann es so weit sein wird, sondern sich auf die gestreichelte Zeit dazwischen konzentrieren zu können – und sie überhaupt zu haben.

Adieu, Herr Boris Wiesengrün.

Abschied von Pfefferminza

Pfefferminza lernten wir kurz vor Weihnachten vor zwei Jahren kennen. Sie und zwei andere Kaninchen waren die letzten Überlebenden einer „Schlacht“-Kaninchenhaltung – wahrscheinlich die „Lieblingszuchttiere“ der Besitzerin. Alle anderen Kaninchen hatte sie geschlachtet, kurz bevor sie starb. Wie viele Jahre Pfefferminza verborgen hinterm Haus einsam in ihrem kleinen Stall gehockt hat? Eingesperrt und isoliert von allem, was ein Kaninchenleben ausmacht: freie Bewegung, hoppeln, sich aufrichten, buddeln, springen, grasen, hüpfen, flitzen, kuscheln.

Von einem auf den anderen Tag wurde für Pfefferminza und die anderen alles anders. Der erste unbeholfene Glückshüpfer in die Land der Tiere-Luft. Das erste Mal zusammen mit anderen Kaninchen kuscheln. Üben, Männchen zu machen, um an die leckersten Sachen heranzukommen. Zwischen Pfefferminza und den anderen entwickelte sich eine tiefe Freundschaft – so tief, dass sie oft zu dritt übereinanderliegend als Kuschelhaufen unter einem Baum herumlagen. So eng, wie man Kaninchen nicht häufig sieht. Ob es „Nachholbedarf“ war oder Liebe? Wahrscheinlich eine sehr große Portion von beidem.

Wir hätten viel darum gegeben, ihnen mehr dieser guten, gemeinsamen Zeit verschaffen zu können. Leider waren alle drei gesundheitlich angeschlagen, als sie zu uns kamen. Chronischer Schnupfen und weitere Probleme machte sie zu Dauerpatienten. Sie hatten nur ein paar Monate zu dritt. Nach einer Zeit war nur noch Pfefferminza, deren Gesundheitszustand auch alles andere als gut war, übrig.

Pfefferminza wurde in den vergangenen Monaten zur „Intensivpatientin“ aufgrund der unbesiegbaren Schnupfenerkrankung, war mehr oder weniger dauerhaft in Behandlung und unter Medikamenten. Es gab keine Heilung – aber wir konnten Zeit für sie herausschinden. Zeit, in der sie frei sein konnte, Zeit, in der sie mit den anderen Kaninchen ihrer Gruppe zusammensein und kuscheln konnte. Zeit zum Leben – dem Leben, das ihre Besitzerin, die sie einsperrte und als Zuchthäsin missbrauchte, ihr so lange vorenthalten hatte, weil sie nie gesehen hat, was sie ihren Tieren antat. Vielleicht hat es sie nie interessiert, das Befinden ihrer Tiere, die Interessen ihrer Kaninchen.

Uns hat es interessiert. Fast zwei Jahre Leben konnte Pfefferminza dadurch haben. Sie starb vor einigen Tagen infolge ihrer chronischen Erkrankung.

Adieu, Pfefferminza.

Abschied von Ferdinand

Nie wieder mehr in der Sonne glitzernder Schnee auf Ferdinands Nase.

Nie wieder Ferdinand, der morgens vorm Stall liegt und auf seine Extraportion Essen und sein Schmerzmittel-Brötchen wartet. Es ist still ohne seine Rufe, die uns in den vergangenen Monaten so oft von irgendwo weggeholt haben, um ihn sicher nach Hause oder wieder zu den anderen Schafen zu bringen, die Ferdinand mit fortschreitender Demenz und Erblindung immer häufiger verlor, obwohl er doch einen Moment zuvor noch neben ihnen gestanden hatte.

Als Ferdinand vor fünf Jahren zusammen mit seinen drei Schwestern ins Land der Tiere einzog, war er sieben Jahre alt, doch körperlich ein sehr alter Herr. Er humpelte aufgrund einer alten Schulterverletzung, an der es nichts mehr zu reparieren gab. Das Einzige, was wir ihm Gutes tun konnten, ihn schmerzfrei und am Laufen zu halten. Fünf Jahre ging es gut, so gut es gehen konnte. Ferdinand blieb mobil, konnte mit den anderen um die Bäume ziehen, wenn auch humpelnd.

In den vergangenen Wochen verbesserte sich seine Lauffähigkeit – und oft war er morgens der Erste, der auf den „Schaffrühstücksspaziergang“ durchs Land wartete. Ferdinand war so flott unterwegs wie lange zuvor nicht. Grade so, als hätte er sein Schulterproblem vergessen. Und noch etwas zu erledigen. Seine Erblindung, die in den letzten Monaten sehr vorangeschritten war, erschwerte seine Pläne, und wenn er vergaß, wo die anderen Schafe waren, einfach irgendwo seine Wege ging, nicht sah, wo er suchen musste, war er verzweifelt und hilflos. Und wir somit immer auf dem Sprung, ihm zu helfen, wenn er alleine nicht klarkam.

Als es ihm vor einigen Tagen plötzlich schlecht ging, er nicht aufstand, keinen Appetit hatte, nahte sein Abschied. Sein Herz schlug wie das eines Tieres im Winterschlaf, er atmete ganz ruhig, war kaum ansprechbar. Wir rechneten nicht damit, dass er noch einmal aufstehen würde. Doch Ferdinand stand nach zwei Tagen wieder auf. Um noch ein paar begleitete Runden mit den anderen Schafen durchs Land zu ziehen, im Klee zu stehen und zu essen. Als er sich dann wieder ruhig in den Stall legte, wo er selbständig auf eigenen Beinen hinging, war es das letzte Mal. Ferdinand schlief ein und wurde nicht wieder wach.

Adieu, Ferdinand!

Abschied von Matinka

Woran denkt ihr bei Hühnereiern? Wir denken an Entzündungen und Eiter. Tumore und poröse Knochen. Schichteier, die mumifiziert im Huhn stecken. Unfertige, zerplatzte Eier, die blutig halb im Huhn und halb draußen hängen. Wir denken an die Hühner, die leiden und sterben für die Eierproduktion. Denken an Hühner wie Matinka, die doch nichts Anderes als Huhn sein wollten. 20 Eier im Jahr legen, vielleicht 15 Jahre alt werden.

Matinka lebte nach ihrer Rettung nur noch etwas mehr als zwei Jahre. Wie viele Eier sie legte in ihrem Leben? Ungefähr 1000? Nicht freiwillig. Sondern weil ihr Körper auf eine enorme „Legeleistung“ gezüchtet wurde. „Leistung“, die die Hühner tötet. Längst vor der Zeit, die ihr Leben eigentlich lang wäre. Was so technisch „Legeapparat“ genannt wird, es sind die Organe eines Vogels, der kein Apparat ist, leidet, Schmerzen hat, stirbt. Ein Vogel, der leben wollte und nicht konnte, sondern durch menschliche „züchterische Optimierung“ Eier legten musste, bis das Eierlegen tödlich endete.

Ein Trost, der bleibt? Dass es immerhin eine Zeit gab, wo nur sie selbst zählte, nicht ihre „Leistung“. Adieu, Matinka.

Abschied von Filippi

Manchmal ist es einfach „Liebe auf den ersten Blick“. Diese dauerte fünf Monate, die vielleicht die besten seines Lebens waren.

Als Filippi im Dezember 2020 einzog, begann eine intensive Zeit. Er sollte etwa sieben Jahre alt sein, humpeln aufgrund eines alten Beinproblemes, was ihn aber nicht stören würde. Die OP sei gelungen, er würde schon viel besser laufen. Unmittelbar bevor er einziehen sollte, bekamen wir die Nachricht, Filippi würde abbauen. Die spanischen Ärzte meinten, es gäbe vielleicht ein Tumorproblem, ihre dahingehenden Untersuchungen waren allerdings ergebnislos. Ob er trotzdem zu uns ziehen dürfte? Heute wissen wir, dass unsere Antwort, dass das Einzige, was wir bereuen würden, wahrscheinlich sein würde, ihn nicht viel früher kennengelernt zu haben, stimmt.

Der alte Herr war komplett abgebaut, als er ankam. Nicht 7, sondern eher 15 Jahre alt, mindestens halb blind. Klapperdürr, dehydriert, mit einer infizierten OP-Wunde, aus der uns sein Beinimplantat anblinkte. Dazu Babesiose, Herz und Lunge extrem vergrößert, Hyperkalzämie – für die wir dann nach x Untersuchungen die Ursache fanden. Ein Tumor zwischen Herz und Lunge. Ab diesem Zeitpunkt wussten wir, dass wir uns wegen des Implantats und der multiresistenten Keime sozusagen keine Sorgen mehr machen mussten. Nur die, dass es hält, bis der Tumor sein Leben beendet. Es hielt. Mit 5 Monaten Antibiotika und ständigen Verbandwechseln.

Filippi lief und tat das, was er in seinem langen Leben als Jagdhund und Verlorener zuvor wahrscheinlich nicht konnte. Tun, was er wollte, leben zwischen bequemem Bett, vollen Futternäpfen und entspannten Spaziergängen. Er entwickelte eine Vorliebe für… Eulenscheiße. Sein Grinsen, wenn er genüsslich kauend unter einem der Eulenschlafbäume „Beute gemacht hatte“, entschädigte uns für schlaflose Nächte mit ihm, in denen er alle zwei Stunden zum Pinkeln rausmusste.

Filippis Körper baute auf und ab. Oft dachten wir, sein letzter Tag sei gekommen. Diese Tage, wo er es nicht unter die Eulenbäume schaffte, sondern einfach im Bett lag und schlief. Nicht zum Essen aufstand. Kaum ansprechbar war. Jedes Mal schaffte er es wieder, plötzlich stand er auf, hatte mächtigen Appetit, ging spazieren, freute sich rund – er wedelte wirklich rund! – so ganz selbstverständlich.

Dann hatte er wieder diese Tage. Nichts ging. Wir glaubten nicht daran, dass er noch einmal aufsteht. Und dann stand er wieder da. Mit gutem Appetit. Grinsend unter den Eulenbäumen. Ging vorsichtig ein Ründchen spazieren. Doch etwas war anders. Er war „näher“, viel näher als sonst, dieser Filippi, der echte körperliche Nähe zu seinen Menschen nie wollte. Ein Wochenende lang war er wieder der Filippi, der so an jemanden erinnerte, der nach einer tödlichen Diagnose auf Kreuzfahrt geht und alles Gute mitnimmt, was er immer erleben wollte. Filippi tat es bis zum letztem Moment. Ein letzter Spaziergang, ein letztes Abendessen. Er ging danach wie gewohnt zum Pinkeln raus. Sein letztes Mal, in Begleitung „seiner“ Menschin, die sich fünf Monate zuvor auf den ersten Blick in ihn verliebte. Sekunden später starb er.

Adieu, Filippi.

Abschied von Nica

Vielleicht hat Nica schon immer gewusst, dass sie einen Grund hatte, gut auf sich aufzupassen. Sich vor allen möglichen und unmöglichen Gefahren, egal ob vor vorbeifahrenden Traktoren, fremden Menschen, Gewittern oder Schüssen, in Sicherheit zu bringen. Am Ende waren sie und wir machtlos, weil ihr einzig wahrer Feind einer war, vor dem es weder Fluchtmöglichkeiten noch Sicherheit gibt.

Nica starb letzte Woche Zuhause an einem ihrer liebsten Orte im Haus, wo sie sich immer sicher fühlte.

Adieu, Nica.

Wir hatten gehofft, dass uns mehr bleiben wird als die „statistischen vier bis sechs Wochen“ nach der Diagnose. Und mussten die Hoffnung darauf zusammen mit ihr beerdigen. Als wir mit Nica im November in die Tierarztpraxis fuhren, war anhand der Symptome fast klar, dass wir mit den Laborergebnissen die Diagnose bekommen würden, die wir nicht haben wollten. Eine kleine Lymphknotenschwellung im Hals war innerhalb von zwei Tagen so massiv groß geworden, dass sie kaum trinken konnte, alle anderen Lymphknoten wuchsen rasant mit, sie konnte sich kaum bewegen, war platt, hatte Fieber. Dass sie schon zwei Tage später nach diversen Medikamenten wieder okay war, lief, rannte, spielte, Traktoren verbellen konnte, guten Appetit und gute Laune hatte, gab uns Hoffnung, dass das Laborergebnis der Lymphknotenpunktion nicht die Diagnose „Lymphom“ liefern würde.

Die nächste Hoffnung, dass ihr trotz der Diagnose noch ein bisschen mehr Zeit bleiben würde als eine Woche oder ein Monat – aber selbst die optimistische Aussicht auf vielleicht sogar noch ein Jahr -konnte nicht genug sein.

Am Ende blieb ihr ein Monat. Ein Monat, wo es ihr gesundheitlich so gut ging, dass sie noch einmal Traktoren verjagen, mit ihrer Schwester Muli balgen, sich mit den Schafen „Keksabhol-Duelle“ liefern, ihre Menschen mit ihrem 50 Kilo schweren umwerfenden Charme und ihrem verschmitzten Grinsen im Gesicht „umkuscheln“ und noch einige ihrer heiß geliebten kleinen Plüschbärchen zerlegen konnte.

Abschied von Mathilda

Bei der ersten Begegnung mit Mathilda haben wir uns geschämt für das, was andere ihr angetan hatten. Menschen kannte Mathilda nur als diejenigen, die sie alle paar Tage in die Enge trieben, einfingen, kopfüber festhielten, vergewaltigten, künstlich besamten. Mathilda Körper wies zahlreiche Verletzungen auf. Nach einem Jahr als Zuchtpute, gequält und gehalten zur Eiablage für die „Mastkükenproduktion“ in einem Großbetrieb, war sie physisch und psychisch am Ende ihrer Kräfte.

Es war eine Begrüßung mit Tränen, als sie vor über vier Jahren ins Land der Tiere einzog, statt im Schlachthof zu sterben – und dem Versprechen, dass sie ein Leben haben würde. Eine Zukunft ohne Gewalt, mit Sonne auf den Flügeln, Wiese unter den Füßen, Freundschaften und der Freiheit, ihre Tage selbstbestimmt zu verbringen.

Wir wurden Vertraute. Enge Vertraute, die viel Zeit miteinander verbrachten. Zwischen dem Tag, an dem sie das erste Mal in ihrem Leben draußen sein konnte, neugierig den Himmel betrachtete, ihre Augen die Wolken verfolgten, sie zwitschernd und glücklich glucksend den ersten Grashalm pflückte, ihr erstes Sandbad in der Sonne nahm und dem Tag, an dem wir uns von ihr verabschieden mussten, lagen nun mehr als vier Jahre. Dass Mathilda so alt werden würde, hätten wir kaum zu hoffen gewagt, denn für eine Pute der überschweren „Mastrassen“ ist es ein unglaubliche hohes Alter.

Auch bei Mathilda traten in den vergangenen Wochen mehr und mehr körperliche Probleme auf. Es fing an mit ihrer Hüfte, weitere Gebrechen kamen hinzu. Jetzt war der unausweichliche Tag da, wo keine Therapie mehr möglich war – und wir uns für immer verabschieden mussten.

Adieu, Mathilda.

Abschied von Max

Kann man sich mit dem Tod versöhnen? Vielleicht wenn er nach einem langen, friedlichen, wunderbaren Leben eintritt.

Als wir Max kennenlernten, war er ein Lamm. Ein „Osterlamm“ ohne Zukunftsaussicht. Sein Leben hatte er Menschen zu verdanken, die vor über 15 Jahren vor einer Schafherde mit Lämmern standen und die kleinen Schafe bewunderten. Ihren war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar, dass all die kleinen männlichen Lämmer schon bei ihrer Geburt „zum Tod verurteilt“ waren – und im Alter von wenigen Wochen geschlachtet werden. Diese traurige Erkenntnis ließ sie handeln. Vegetarier*innen werden – und Max retten.

Viele glückliche Jahre lebte Max bei ihnen ein wohlbehütetes Leben, in dieser Zeit trafen wir ihn regelmäßig, Max wurde zum Vertrauten. Er für uns, wir für ihn. Dass er irgendwann im Land der Tiere leben würde, wusste da noch niemand. Als seine Menschen den Entschluss fassten, auszuwandern, war klar, dass Max seinen Lebensort für die letzten Jahre dort finden würde, wo er Vertraute haben würde: im Land der Tiere. Als er zusammen mit seinem besten Schaf-Freund Moritz und der kleinen alten Lotte im Land der Tiere einzog, war er bereits ein alter Herr. Niemals ein Schaf mit „Führungsqualitäten“, sondern ein sanfter Riese. Irgendwann in einem Zustand zwischen Altersweisheit und Tüdeligkeit angekommen. Max überlebte Lotte und Moritz. Der Tod vom Moritz vor einigen Monaten war schwer zu verkraften für ihn. Zwei Freunde, über 14 Jahre lang Seite an Seite in tiefer Verbundenheit. Max verlor trotzdem nicht den Mut, lebte zufrieden zusammen mit den anderen Schafen. Trotz aller Altersgebrechen und Arthrose in den Gelenken hatte er einen Anspruch: dabei zu sein, mitten im Leben. Mit den anderen herumzuziehen, anzukommen, wenn er uns sah, Kekse und Streicheleinheiten abholen, auch wenn es zusehend schwerer fiel.

Mit diesem Anspruch ging Max in seinen letzten Lebenstag. Einige Tage vor seinem Tod wurde er zum Notfallpatienten aufgrund organischer Probleme. Er überlebte die ersten Tage, obwohl es keine Hoffnung gab. Wir wussten es, er wusste es. Max ging es furchtbar schlecht. Er lag bereits so, dass wir kaum dachten, dass er noch einmal aufsteht. Doch Max stand auf. Für einen letzten Spaziergang durchs Land der Tiere, zusammen mit den anderen Schafen. Danach ging er in den Stall, legte sich – und starb.

Adieu, Max

Abschied von Helmut

Helmut war ein „Charaktervogel“. Voller Lebenslust, solange er seine Freundin Helma an seiner Seite hatte. Nach ihrem Tod vor einigen Monaten wurde alles anders. Seine geliebte Helma konnten wir ihm nicht ersetzten. Helmuts neuer kleiner Gesellschafter, Perlhuhnhahn Hütchen, der bei ihm einzog, war „Gesellschaft“ – aber nicht mehr. Beide waren nicht zufrieden, flogen ständig weg. Helmut flog und lief rastlos herum, rief, suchte. Helma?

Wir starteten den nächsten Versuch, Helmuts Glück wiederzufinden. Vergeblich. Auch die neue Gesellschaft, drei junge gerettete „Mastperlhühner“, machte ihn nicht glücklich. Helmut alterte zusehends, wurde zunehmend trauriger, zog sich zurück, gab auf. An dem Tag, an dem er starb, war er ein Schatten seiner selbst, ohne „körperlich krank zu sein“. Wir fanden ihn morgens an seinem Lieblingsschlafplatz im Perlhuhnhaus, wo er sich für immer verabschiedet hatte.

Adieu, Helmut.