Abschied von Wilma
„Welche Zukunft steht ihr bevor?“ fragten wir uns. Welche Zukunft steht zwei Zwerghühnern bevor, die bei Ebay „zusammen für fünf Euro“ angeboten werden, weil sie wegen umzugsbedingter Aufgabe einer Tierhaltung „schnell wegmüssen“? Wir hatten eine Vorstellung. Und boten spontan an, die Hühner kostenfrei zu übernehmen. Wilma & Sprotte, Mutter und Tochter. Sie zogen Weihnachten 2020 ins Land der Tiere ein. Ein traumhaftes Duo, grundverschieden.
Abschied von Spooky
Etwa 400 Eier hatte Spookys kleiner Körper produziert, als sie vor vier Jahren zu uns kam. 400 Eier, die sie bis ans Ende ihrer Kräfte gebracht hatten. Nicht nur das, sondern auch die Haltung in einem „Elterntierbetrieb“, wo sie zusammen mit 2000 anderen Hühnern in Bodenhaltung lebte, hatten sie in diesen furchtbaren Zustand versetzt: Spooky war fast nackt, sie war extrem blass, schlapp, sehr krank. Sie war nie draußen, war nie über eine Wiese gelaufen, hatte nie im Boden gescharrt, nie ein Sandbad genommen, nie Wind und Sonne gespürt. Es fiel schwer, bei ihrem Anblick nicht zu heulen.
Abschied von Kasimir Wiesengrün
Wir hätten nie gedacht, dass ausgerechnet Zacke Wiesengrün, der mit dem allerschwersten Körper, er, der hin und wieder unter Herz-Kreislaufproblemen leidet, der letzte Überlebende der sechs Wiesengrüns werden würde. Zacke berappelt sich immer wieder, jetzt gerade steht er draußen und zeigt den Nachbarinnen Hühnern, was er für ein toller Kerl ist. Ist er, ohne Zweifel. Und mit seinen nun über drei Jahren für einen geretteten „Mast“-Hahn ein biologisch uralter Mann. 300 Mal so alt, wie er eigentlich als „Mastküken“ nur hätte werden sollen.
Abschied von Charlotte
Charlotte, Charlöttchen, manchmal auch „das Einsiedlerkrebschen“ genannt, war eines der ersten Kaninchen, welche in das noch neue Land der Tiere einzogen. Sie kam aus einer unglücklichen Privathaltung als Abgabe zu uns, lebte bis dahin in Wohnungshaltung. Wir ihre Halterin berichtete, verbrachte sie einen großen Teil der Zeit in der Couch. Also einem Loch unter der Couch, welches sie dort hineingebaut hatte, um dort versteckt ihre Ruhe haben zu können. Das passte zu Charlotte, dem „Einsiedlerkrebschen“.
Abschied von Caro
Vor drei Wochen erst haben wir sie kennengelernt, sie und die anderen Schafe, die zu den „Geretteten vom Deich“ wurden: Acht Schafe in furchtbarem Zustand, die auf ein abgelegenes Gehöft verfrachtet worden waren, um dort geschächtet zu werden. Polizei und Veterinäramt verhinderten, dass sie starben. Als wir sie abholten, standen sie noch an dem furchtbaren Ort, an dem sie hätten sterben sollen. 🐑
Abschied von 26780
In Trauer um jemanden, der wir vor einer Woche das erste Mal begegneten. Es blieb nicht einmal Zeit, ihr einen Namen zu geben.
Wir rechneten mit der Nachricht aus der Tierklinik, dass sie gestorben ist. Dabei hätte es doch der Beginn eines neuen Lebens werden sollten, aber es war zu spät für ihre Rettung. Ihr Zustand war so schlecht, dass wir sie, klapperdünn, dehydriert, kaum in der Lage zu stehen, vergangene Woche gleich nach ihrem Einzug ins Land der Tiere in die Tierklinik brachten. Wo alles versucht wurde, ihr Leben zu retten. Vergeblich.
Abschied von Emily
Die Spuren, die Emilys Körper beim Einzug ins Land der Tiere vor dreieinhalb Jahren trug, erzählten uns von dem, was vorher ihr Leben gewesen sein muss. Ein gutes Leben war es nicht: Ihre Fußballengeschwüre, ihr zerrupftes Gefieder, die „tierindustrietypischen“ Verletzungen am Rücken, ihre Traurigkeit und anfängliche Unfähigkeit, mit einfachen und eigentlich selbstverständlichen Dingen wie „Regen“ umzugehen, zeigte eindeutig, dass sie bislang ausschließlich im Stall gehalten wurde. Eine, die „Nutztier“ war – und es geschafft hatte, zu entkommen.
Abschied von Mrs. Bean
Mrs. Bean, für manche „Bohne“, andere „Böhnchen“ – oder auch „dicke Bohne“. Für ihr Dicksein konnte sie nichts, es war ihre „Mastgenetik“. Die Genetik, die sie Jahre ihres Lebens gekostet hat.
Mrs. Bean kam im März 2020 aus einem „Tiersammelhaushalt“ zu uns, als dort Dutzende Tiere aus Tierschutzgründen geräumt wurden. Ihre „Besitzerin“ führte einen angeblichen „Hundegnadenhof“, die Hunde lebten unter unfassbar schlechten Bedingungen. Auch viele Vögel hielt sie – darunter zwei Puten, für die bei der Räumung noch kein Platz gefunden war, wo sie unterkommen konnten. Mrs. Bean und ihre damalige Freundin Fräulein Schmittlauch zogen ins Land der Tiere ein.
Abschied von Mupf
Als Mupf ins noch ganz neue Land der Tiere einzog, gab es hier nur zwei Schafe außer ihr. Zwei alte Herren, die wir lange kannten, bevor das Land der Tiere existierte – und ein Versprechen, dass es ihre Heimat für den Rest des Lebens sein würde. Mupf kam zur richtigen Zeit für die alten Herren. Die beiden hatten grade ihre geliebte Freundin und Vertraute verloren, ein kleines altes Schäfchen, welches den Herren immer jede Entscheidung abgenommen hatte. Die alten Herren waren tieftraurig und orientierungslos nach ihrem Tod.
Abschied von Graunasenpunkt Ostermann
Als wir Ostern 2021 seine Mutter einfingen, die von ihrem „Besitzer“ beim Wegzug auf einem vermüllten Grundstück zurückgelassen worden war, wussten wir noch nichts von seiner Existenz. Drei Wochen später baute Frau Ostermann dann ein Nest. Sieben kleine Osterkinder kuschelten und brummten in dem Nest herum.