Abschied von Freddy

Wir fanden Freddy an einem der beliebten schattigen geschützten Mittagsschlafplätze. Ihr letzter Mittagsschlaf – der, aus dem die alte Kaninchendame nicht mehr aufwachte. Zweieinhalb Jahre hat sie als Chefin der Zwergentruppe in der „Kleintierabteilung“ gelebt. Frech, fröhlich und unbeschwert, gut geputzt und bekuschelt von ihren beiden besten Freunden Barney und Anton hat sie das fast freie Leben genießen können.

Bevor Freddy ins Land der Tiere einzog, war sie „Balkonkaninchen“: Eines dieser Millionen Kaninchen, die „als Kinderkuscheltiere“ angeschafft nicht nur kein Leben führen, welches ihnen auch nur annähernd gerecht wird, sondern die auch irgendwann „langweilig“ werden. Wie viel Energie in selbst so einem kleinen Zwergkaninchen steckt, ahnen die meisten Menschen, die Kaninchen in Käfigen und Ställen und auf engem Raum halten, nicht. Ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten sind nicht anders als die ihre wilden Vorfahren. Freddy hatte Glück und konnte ihr langweiliges Leben hinter sich lassen und zusammen mit ihrem Kumpel Barney ins Land der Tiere einziehen. Und für den Rest ihres Lebens ein echtes Kaninchenleben führen. Barney trauert sehr um seine Gefährtin, liegt viel alleine herum, grade so, als würde er warten, und auch Anton ist sichtbar unglücklich. Wir können ihnen nicht helfen. Nur hoffen, dass die beiden alten Herren auch ohne ihre Chefin noch eine gute Zeit haben. Adieu, Freddy.

Abschied von Anke

14 Monate echtes Leben, 14 Monate gefühlte Freiheit, die Anke zusammen mit den anderen Puten genießen konnte, ohne sozialen Stress durch Tausende anderer Puten, ohne weitere menschliche Grausamkeiten ertragen zu müssen. Anke lebte vorher in einer Zuchtfabrik, als „Produkt“, welches dazu da war, Eier zu legen, aus denen Küken für die Putenmast wurden. Alle paar Tage gewaltsam durch Menschenhand zwangsbesamt, ein ganzes Leben ohne Freiheit. Ohne Sonne, ohne Wiese, ohne Spaziergänge, ohne normales Sozialleben, ohne Sandbäder, ohne Weintrauben, ohne alles, was schön ist im Leben einer Pute.

Als Anke ins Land der Tiere einzog, war ihr Gesamtzustand durch die Nutzung und Haltung enorm schlecht – in der Zuchtfabrik wäre sie als verbraucht „ausgemustert“ und geschlachtet worden. Wie schön es zu sehen war, als langsam ihre Traurigkeit verschwand und sie nach langer Zeit wieder so aussah, wie ein Vogel aussehen soll: Voll befiedert, unverletzt, gesund und voller Tatendrang. 14 Monate konnte sie es genießen, wirklich zu leben, als jemand mit Ansprüchen und Freiheiten, nicht als Massenprodukt der lebensverachtenden Tierindustrie.

Anke starb nach einem wundervollen Tag, an dem sie und die anderen Puten ausgiebig über die Wiesen und Hügel gewandert waren, unter einem ihrer Lieblingsbäume. Nicht nur dieser knorrige alte Weißdorn, unter den sie sich so gerne zurückzog, um ein Ei zu legen, wird uns immer an sie erinnern. Adieu, Anke.

Adieu, Mika

Irgendwo zwischen Trauer und Hoffnung. Trauer um jemanden, den wir begleitet haben, seit er in einer Brüterei aus dem Ei schlüpfte und kurz darauf mit Tausenden andere in eine Mastanlage eingestallt wurde. Der statt 20 Wochen Turbomast und Schlachthof dank seiner Befreiung aus der Mastanlage ein echtes Leben haben sollte und ins Land der Tiere einzog.

Zorn mischt sich in die Trauer, weil sein Leben trotz der Rettung „vorprogrammiert“ kurz war aufgrund der Tatsache, dass „Masttiere“ nicht für das Leben gezüchtet und dafür optimal ausgestattet, sondern Tiere sind, die nur für eines gezüchtet wurden: Fleischansatz und ein untragbar hohes Gewicht. Auch wenn der Körper das nicht aushält.

Eines Tages wussten wir, dass wir nichts mehr für Mika würden tun können. Er ist auf dem Weg zum Tierarzt gestorben. Nach nur 28 Monaten Leben. Für ihn ein gut behütetes, wunderbares Leben, wo er sein konnte, der er war: Ein kräftiger, selbstbewusster, wundervoller, starker, großer Vogel, der so lange trotz vermehrter körperlicher Probleme nicht ans Aufgeben dachte.

Die Hoffnung? Dass eine Zeit kommt, wo es normal ist, keine Tiere zu züchten, einzusperren, zu schlachten und zu essen. Wo nicht ein paar verrückte Leute und ein kleines einsames Huhn, welches sich vor einigen Wochen auf den ersten Blick in ihn verliebte, um einen Vogel trauern müssen, der noch so jung war und trotzdem im Zustand eines uralten Vogels starb, während nebenan Millionen anderer Vögel wie Mika gedankenlos und ohne jede Notwendigkeit auf die Teller gelegt werden. Adieu, Mika.

Georg

Auch wenn wir nicht damit gerechnet hätten, dass Georg, der seit einem Jahr krank war, einer der letzten drei Überlebenden der Land der Tiere-Puter sein würde, macht uns der Abschied von ihm nicht weniger traurig. Georg war zum Schluss nicht mehr in der Lage, mit seinem hohen Gewicht aufzustehen. Er wurde nur zwei Jahre alt.

Trotz seiner Rettung starb er als Opfer der Tierindustrie – weil Puten auf so viel Fleischansatz gezüchtet werden, dass sie kein normales Leben haben können. Was den meisten Fleischessern nicht bekannt (?) oder egal ist (?) oder sie nicht sehen (wollen?), wer hinter ihrem Putenfleisch steckte: Es war immer ein wunderbarer, kluger, sensibler Vogel wie Georg, der nur eines wollte: Ein gutes Leben. Georg hat dank seiner Befreiung aus einer Mastanlage immerhin zwei Jahre gut gelebt, statt nach 20 Wochen Turbomast geschlachtet zu werden. Machs gut, lieber Georg.

Abschied von Winnie

Grade einmal 81 Tage hätte das Leben von Winnie als „Bio-Masthuhn“ nach EU-Norm bis zum vorprogrammierten Schlachttermin dauern sollen. Zusammen mit 4800 anderen Küken in einem Stall, 21 Kilo kleine, piepsende Hühner und Hähne pro Quadratmeter. An 27 von 81 Lebenstagen hätte Winnie auf dem Papier ein Recht auf Ausgang aus dem Stall gehabt – in der Realität allerdings vielleicht keine Minute des Lebens spüren können, wie es ist, wenn die Sonne warm auf die Federn scheint. Wie es sich anfühlt, im Boden zu scharren und ein schönes Staubbad unter freiem Himmel zu nehmen.

Als Winnie gerettet werden konnte und ins Land der Tiere einzog, war sie drei Wochen alt: Ein kleines, ängstlich nach ihrer Mutter – die sie nie hatte, weil sie im Brutschrank einer Brüterei schlüpfte – piepsendes Küken. Wie schön es ist, zu leben, wusste Winnie, seitdem sie zu „Einflügelhuhn“ Vrieda, ihrer leider mittlerweile ebenfalls verstorbenen „Adoptivmutter“, ziehen konnte: Unter Vriedas Aufsicht im Sand baden und herumwälzen, in der Sonne räkeln, bei Gefahr im Wald verstecken, nach Lust und Laune herumscharren und unterm Moos nach frischen Keimen suchen, wie es sich für Hühner gehört – eine wunderschöne Kindheit. Nach 18 Monaten hat uns Winnie für immer verlassen.

Lotta Ping-Pong

Lotta Ping-Pong lief mit Lungenentzündung, Schnupfen und extrem untergewichtig, ein mehr zerbrechliches Ping-Pong-Bällchen als eine Schildkröte, eine Bundesstraße entlang, als sie 2003 aufgefunden wurde. Sie hatte sich danach zur properen frechen Möchtegern-Chefin der Schildkröten-Mädelstruppe entwickelt. Ihre größte Stärke war: wild mit dem Kopf nickend den anderen Stärke demonstrieren. Nach 14 Jahren ist Lotta für immer gegangen. Machs gut, kleine liebe Lotta.

Abschied von Margot, Margarete und Magda

Selbst die, die das Glück haben, der Tierindustrie zu entkommen, bleiben Gefangene: Gefangen in ihren lebensuntüchtigen Körpern. Weil Menschen sie so „auf Leistung perfektioniert“ haben, dass ihre Körper nicht mithalten können. „Genetisch optimierte Legehennen“, die fast 300 Eier im Jahr legen müssen und nach spätestens einem Jahr ausgelaugt, krank oder tot sind. Auf so unglaublich viel Fleischmasse gezüchtete „Masttiere“, die oft schon im Alter von wenigen Tagen unter ihrem monströsen Gewicht zusammenbrechen oder einen plötzlichen Herztod sterben. Zuchttiere, also „Mastelterntiere“ wie die Hennen Magda, Margot und Margarete, haben gleich beide Probleme genetisch verankert: Enorme „Legeleistung“ plus „Fleischansatz“.

Magda, Margot und Margarete waren „Masthuhnelterntiere“, wurden gezüchtet und gehalten, um Eier zu legen, aus denen Küken für die Hühnermast erbrütet werden – also die Mütter der Hähnchen und Hühner, welche die meisten Menschen nur als „Hühnerbrustfleisch“ und „Schenkel“ kennen. Dass diese Hühner und Hähne auch Eltern hatten, unter welchen furchtbaren Bedingungen diese meist leben, ist den wenigsten Menschen bewusst. Magda, Margot und Margaret konnten gerettet werden, kurz bevor sie als „unproduktiv und verbraucht“ getötet worden wären. Zu dem Zeitpunkt waren sie in erbärmlichem Zustand, verletzt, nackt, ausgemergelt.

Schon kurze Zeit nach ihrer Ankunft im Land der Tiere begann ihr Zustand sich zu bessern, die ersten zarten Federchen wuchsen und auch psychisch waren sie schnell viel besser drauf. Unsere Hoffnung, dass wir alle „Mastmamas“ einige Wochen später als gesunde und wunderhübsche Hennen in der Frühlingssonne herumspazieren sehen werden, wurde nur für Magda und Margot erfüllt. Das erste Mal im Leben draußen herumlaufen und alles neugierig beäugen, das erste selbstgesuchte Grün picken, im Boden scharren, in echter Erde ein Sandbad nehmen und einfach Huhn sein können: Selbstverständlichkeiten, die zu einem guten Leben dazu gehören – nicht jedoch zum Leben von Industriehühnern, wie sie waren.

Margarete hatte sich wunderbar entwickelt – aber ihr schwerer Körper mit lebensuntüchtigem Herz-Kreislauf-System vergönnte ihr leider nur einige Wochen gute Lebenszeit. Margot erlebte immerhin sogar eine kurze schöne Zeit der Freiheit, die sie sehr genoss, bis ein plötzlicher Herztod ihr Leben beendete. Magda ging es über den Tod ihrer beiden Freundinnen hinaus noch eine Zeit lang zumindest psychisch hervorragend. Sie schob gemächlich ihren schweren Körper durchs Gelände und lebte harmonisch mit den anderen Hühnern zusammen. Selbst wenn auch ihr Leben kein langes sein würde: Es zählte, jeden glücklichen Moment mitzunehmen – überhaupt jemals welche erlebt zu haben. Auch wenn wir es immer so empfinden werden, dass es einfach zu wenig Zeit des Glücks, des Lebens und der Freude waren, die sie nach ihrer Rettung erleben konnten. Wir hatten so gehofft, dass auf Magda noch viele glückliche Momente warten, dass ihr schwerer Körper sie nicht umbringt. Magda starb, weil auch ihr Herz-Kreislauf-System nicht in der Lage war, sie am Leben zu halten.

Margot, Magda und Margarete konnten wenigstens eine kurze Zeit erfahren, wie schön das Leben sein kann, Jemand zu sein und nicht „Etwas“.

Der Gärtner

„Ich denke, dass der Sinn des Lebens darin besteht, glücklich zu sein.“ (Dalai Lama)

Als vor vielen Jahren ein kleines schwarzes Riesenkaninchen zusammen mit Mutter und Geschwistern im Wald ausgesetzt wurden, war es lediglich ein glücklicher Zufall, dass die Kaninchenfamilie gefunden wurde und so überlebte. Im Tierheim gelandet, saß die Familie ohne Adoptionschancen herum. Das kleine schwarze Riesenkaninchen, welches kurz darauf aufgrund seiner emsigen Tätigkeiten bei der Gartengestaltung den Namen „Der Gärtner“ bekam, zog mit seiner kleinen blinden Schwester zu uns.

Für uns Menschen war das Zusammenleben eine echte Herausforderung: Der Gärtner ließ nichts aus. Nicht einmal von ihm initiierte Prügeleien mit den kleinen alten Hunden, aus denen er immer als Sieger herausging – und danach äußerst zufrieden an der Seite seiner geliebten Schwester im Garten herumlag und die Vegetation schredderte.

Der Gärtner war einer der „Ureinwohner“ im Land der Tiere. Als sich sein Zustand vor einigen Tagen verschlechterte und wir sogar in der Lage waren, ihn medikamentös zu behandeln, ohne dabei zerbissen zu werden, befürchteten wir schon, dass es Zeit würde, Abschied zu nehmen. Doch es sah so aus, als ginge es ihm plötzlich wieder besser. Er aß wieder, hoppelte über die Wiese. Es war das letzte Glück: Er verabschiedete sich nach einer letzten „Ehrenrunde“ um seine Lieblingsbäume.

Adieu, Herr Gärtner.

Vriedas Devise war immer „Nicht aufgeben“

Nicht, als sie hoffnungslos eingeklemmt mit gebrochenem Flügel und kurz vorm Verhungern und Verdursten in einem Gitter der Anlage hing, aus der sie dann befreit wurde. Nicht, als ihr Flügel amputiert werden und sie das Krankenlager hüten musste. Sie war eine überaus geduldige Patientin, so voller Energie und Lebensfreude. Die behielt sie auch, als sie sehr krank wurde: Eine Nervenlähmung in einem Bein brachte sie nicht aus der Bahn – Vrieda arrangierte sich mit der neuen körperlichen Einschränkung, eroberte sich auch einbeinig ihre Wege.

Die Therapie brachte Erfolg, dank Vriedas Geduld. Unsere Freude darüber, dass sie nach wochenlanger Einschränkung wieder richtig laufen konnte, währte leider nur kurz. Ein Rückfall, eine neuerliche Lähmung, und es kam noch schlimmer, da auch das andere Bein betroffen war.

Aufgeben? Kam für Vrieda nicht in Frage. Also gaben auch wir nicht auf, setzten die Bewegungstherapie fort und halfen ihr bei allem, was sie nicht mehr selbst konnte. Nach einiger Zeit mussten wir jedoch einsehen, dass ihre Lähmung irreversibel war. Wir ersetzten sozusagen ihre Beine, trugen sie von a nach b, halfen ihr beim Essen und Trinken, saßen immer wieder bei ihr und die schönsten Äpfel wurden „automatisch“ zu Vrieda gebracht, weil sie so eine große Apfelfreundin war.

Irgendwann wussten wir, dass Vriedas Leben bald zu Ende geht. Ihr körperlicher Zustand wurde schlechter. Nach einem letzten Apfelfrühstück legte sie sich in ihr Körbchen und schlief dort friedlich für immer ein.

Viele Menschen haben mitgeholfen, damit Vrieda ihr Leben leben kann. Ihre Befreier, diejenigen, die sie praktisch in ihrem Leben unterstützt und ihre Zeit mit ihr geteilt haben und diejenigen, welche Vrieda mit einer Patenschaft geholfen haben, glücklich und gut versorgt zu sein. Lieben Dank allen!

Adieu, Vrieda.

Marlene

Es gibt diese Wesen, denen alles „böse“ gänzlich fremd ist, die leben, ohne jemandem zu schaden, ohne Aggressionen, ohne Streit, ohne auch nur einer Fliege ein Beinchen zu krümmen. Nur friedlich, weltoffen und tolerant, sanft und nett. Und dabei glücklich und zufrieden sind und jede Minute des Lebens lieben. Wesen wie Marlene, die wir immer in unseren Herzen behalten werden.

Marlene war bis sie ins Land der Tiere einzog eines von Millionen armer „Mastkaninchen“, wie sie in diesem Moment in Deutschland in kleinen Ställen, Käfigen, Boxen und Verschlägen hinter irgendwelchen Häusern in unser aller Nachbarschaft, fernab aller „Artgerechtigkeit“ leben. Welche Leiden diese Kaninchen dabei ertragen müssen, versteht man vielleicht erst, wenn sich die Stalltüren öffnen und die Kaninchen die Möglichkeit haben zu tun, was sie wollen: Rennen, Springen, im Sand kugeln, frische Gräser wegmümmeln, Buddeln, Verstecken, Sozialkontakte pflegen. Marlene hat es verstanden, ihr neues Leben zu genießen. Umso trauriger sind wir, dass ihr nur ein paar Monate bis zu ihrem plötzlichen Tod blieben.

Adieu, Marlene.